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  Tag des offenen Denkmals am 14. September 2003

Wolfartsweier: "Das Zündhütle" - der Turm der Munitionsfabrik, Am Zündhütle

Besichtigung, Turmbesteigung: 11.00 - 17.00 Uhr Führungen: nach Bedarf (Elga Roellecke) Das Denkmal ist sonst nicht öffentlich zugänglich.

Die Geschichte der Munitionsfabrik

Im Zeitalter der Industrialisierung gründete Ernst Schreiner, Fabrikbesitzer aus Mülheim a. d. Ruhr, 1897 auf Wolfartsweierer Gemarkung eine "Sprengkapsel- und Zündhütchenfabrik". Das Fabrikgelände lag in den sogenannten "Galgenäckern" - der Ort, an dem noch bis ins 19. Jahrhundert ein dreigliedriger Galgen stand. Dieses Areal "beim Hochgericht" lag günstig, von den Ortschaften Aue und Wolfartsweier jeweils gute 700 m entfernt, war aber dennoch durch die an der Fabrik vorbeiführende Landstraße, der heutigen B 3, an den Verkehr gut angebunden. Zudem erlaubte seine Größe auch eine zukünftige Expansion der Munitionsfabrik. Bis 1972, also 75 Jahre, existierte die Munitionsfabrik in den Galgenäckern, die besonders

den Wolfartsweierer Bürgern und Bürgerinnen Arbeitsmöglichkeiten bot. Allerdings wechselten dreimal die Besitzer, und fünfmal änderte sich der Firmenname.

Ernst Schreiner konnte die Fabrik nach mehreren Unfällen bei der Produktion nicht mehr halten und verkaufte sie 1903 an Gustav Genschow, einen ungemein tüchtigen, einundzwanzigjährigen Prokuristen aus einer mecklenburgpommerschen Kaufmannsfamilie. Genschow besaß bereits mehrere Vertriebsfirmen mit zentralem Sitz in Berlin. Wolfartsweier sollte als Produktionsstätte mit der Gustav Genschow Kommanditgesellschaft fusioniert werden, und 1907 ließ Gustav Genschow seine Munitionsfabrik als Aktiengesellschaft ins Durlacher Handelsregister eintragen. Im Ersten Weltkrieg stieg der Bedarf an Waffen- und Kriegsmunition sprunghaft an, das Werk expandierte. In den Kriegsjahren entstanden zehn neue Fabrikationsgebäude, insgesamt befanden sich Ende 1918 auf dem Gelände 47 Häuser, Hallen und Schuppen.

Wie in ganz Deutschland brachten der verlorene Krieg und die Demobilisierung auch für Genschow eine schwer zu bewältigende wirtschaftliche Krise. Jetzt zahlte es sich aus, dass Genschow unbeirrt von der aktuellen Nachfrage nebenbei stets auch Munition für den Jagd- und Schießsport produzierte. Die Umstellung auf Jagdschrotpatronen im Jahre 1922/23 konnte ohne technische Schwierigkeiten bewältigt werden. Als die Goldmark endlich das Inflationsgeld ablöste, blühte auch der Auslandshandel wieder auf.

Dies alles wiederholte sich im Zweiten Weltkrieg, nur dass die Restriktionen nach dem verlorenen Krieg wesentlich rigider waren. Dem technischen Leiter Willy Hotze gelang es, die Sprengung der Fertigungsanlagen und des Maschinenparks zu verhindern, aber es war bei hohen Strafen untersagt, Munition jeglicher Art herzustellen. Man versuchte es zunächst mit der Produktion von Landmaschinen, was aber unrentabel war. 1951, sechs Jahre nach Kriegsende, begann Genschow mit einfachsten Mitteln 4,5 mm Luftgewehrkugeln der Marke 'DIABOLO' zu fertigen. Endlich wurde auch die Produktion von Jagdschrotpatronen wieder genehmigt. Allerdings musste Genschow das Pulver aus Frankreich einführen und den Schrot aus Hannoversch Münden, da die Durlacher Schrotfabrik 1947 auf Befehl der Besatzungsmächte gesprengt worden war. 1953 nimmt die Schrotfabrik in Wolfartsweier ihren Betrieb wieder auf. Die Munitionsfabrik wird stark erweitert und expandiert auch wirtschaftlich. Nun werden wieder die berühmten Jagdschrotpatronen "Waidmannsheil" in alle Welt verkauft.

1963 übernimmt die Sprengstoff- und Munitionsfabrik Dynamit Nobel Aktiengesellschaft die Werksanlage. 1973, nach weiteren zehn Jahren, verlagert sie das gesamte Werk nach Fürth in Bayern. Die Gebäude werden abgerissen, allein der Schrotturm wird als technisches Denkmal erhalten und geht in den Besitz der Universität Karlsruhe zu Forschungszwecken über. Geodäten und Meteorologen nutzen ihn für ihre Messungen.

Das Zündhütle

1953 errichtete man den weithin sichtbaren, über 40 m hohen Wolfartsweierer Schrotturm in Ziegelmauerwerk. Von der 37 Meter hohen Arbeitsbühne wurde flüssiges Blei gegossen, das in einem auf der Erdsohle stehenden Wasserbecken zu Kügelchen erstarrte. Sortiert nach Größe verarbeitete man den Schrot zu Jagdpatronen.

Literatur: Die Munitionsfabrik. Heft 1 der Chronik von Wolfartsweier. 1994. [€ 10,-]




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