Zur Startseite  Karlsruhe: Tag des offenen Denkmals    


  Tag des offenen Denkmals am 14. September 2003

Rüppurr: Der letzte Zeuge des Schlosses: die ehemalige Meierei, Rastatter Str. 17

Meierei
» Zum Eintrag in der Datenbank der Kulturdenkmale

Die wegen ihres Fassadenanstrichs das "Rote Haus" genannte ehemalige Meierei des einst am nördlichen Dorfrand gelegenen Schlosses Rüppurr steht heute vereinzelt an einem großen Parkplatz. Er bezeichnet ungefähr die Lage des ehemaligen Schlosshofes, der vom Schloss und von den für einen Gutshof typischen Wirtschaftsgebäuden ringsum eingefasst und auf drei Seiten von einem Wassergraben umgeben war.

Die erstmals 1380 als "Veste Ryeppuer" erwähnte und seit Mitte des 15. Jh. als Schloss bezeichnete Anlage erreichte, wie aus dem relativ zuverlässigen Grundrissplan des Schlosses von J. D. Haeckher hervorgeht, wohl bis 1740 ihren umfangreichsten Ausbaustand. Der seit 1762 aktenkundige Verfall und sukzessive Abbruch der Schlossgebäude endet erst 1961 mit dem Abbruch des Fohlenstalls und des Seegräber- und Tagelöhnerhauses, so dass nurmehr die ehemalige Meierei erhalten ist. Sie war nach dem Schloss selbst das repräsentativste Gebäude der Schlossanlage, die sonst nur aus Tagelöhnerhäusern, Ställen und Scheunen bestand. Die Größe und der Gestaltungsaufwand, die immer auch auf Außenwirkung zielen, verdeutlichen die wichtige Funktion und den sozialen Status des ursprünglichen Bewohners: des Verwalters der herrschaftlichen Besitzungen.

Die Meierei ist ein stattlicher zweigeschossiger größtenteils massiver und verputzter Bau mit einem hohen zweigeschossigen Satteldach und Krüppelwalmen. Seine ursprüngliche Schauseite ist die dem ehemaligen Schlosshof zugewandte massive Nordfassade mit ihrem segmentbogigen an den Sandsteingewänden abgefasten Eingangsportal. Nach heutigem Empfinden wirkt jedoch die zum verfüllten Wassergraben orientierte Südfassade mit ihrem Obergeschoss aus konstruktivem Fachwerk und dem erst im späten 19. Jh. oder frühen 20. Jh. angefügten zweigeschossigen Toilettenanbau aus Fachwerk pittoresker. Die bauzeitlichen ein- und zweibahnigen Fenster in den Giebeln und die ursprünglich durchgängig zweibahnigen Fenster des Erdgeschosses sind an den Sandsteingewänden in Renaissance-Formen profiliert: Kehlung, Abfassung und Auslauf als vereinfachte Volute, die an den drei noch erhaltenen Mittelpfosten der zweibahnigen Fenster detaillierter ausgebildet ist. An den Gewänden der zwei nordwestlichen Erdgeschoss-Fenster hat der ausführende Steinmetz seine "Visitenkarte" hinterlassen: ein strichmännchenartiges Steinmetzzeichen. Im Inneren ist die ursprüngliche dreizonige Gliederung des massiven Erdgeschosses und des Obergeschosses aus Fachwerk strukturell und größtenteils auch substanziell erhalten. Die nördliche Hälfte der mittigen Zone dient der horizontalen und vertikalen Erschließung der Räume und des Daches. Die drei Sandsteinportale im Flur des Erdgeschosses entsprechen in ihrer Bauart dem Eingangsportal. Der in der südlichen Hälfte der östlichen Zone nachträglich eingebaute und durch die mittige Küche erschlossene Keller ist wegen des hohen Grundwassers nur halb eingetieft, mit Holzbalken und Lehmstaken flach gedeckt und durch zwei kleine Fensteröffnungen mit Holzblockzargen belichtet. Der Wohnraum über diesem Keller liegt infolgedessen höher als die übrigen Räume im Erdgeschoss und wird ebenfalls durch eine nachträglich eingebrochene Fensteröffnung mit Holzblockzargen belichtet. An der massiven Wand zwischen der mittigen und westlichen Zone befand sich ursprünglich der Kamin mit der angeschlossenen Kochstelle in der Küche und der Heizstelle einer Stube, die im Erdgeschoss an einer verrußten Wandnische noch kenntlich ist. Die zwei Dachgeschosse dienten ursprünglich als ungeteilter Lager- und Speicherraum. Das 21 Gespärre lange Dachwerk ist im 1. Dachgeschoss mit einem liegenden Stuhl und einem mittigen auf 7 mächtigen abgefasten Säulen stehenden Stuhl konstruiert. Das in der Grundfläche kleinere 2. Dachgeschoss kommt mit einem liegenden Stuhl aus. Alle Holzverbindungen des Dachwerks sind gezapft mit Ausnahme der Längsverbände in der Ebene der liegenden Stühle: die Streben im 1. Dachgeschoss und die Andreaskreuze im 2. Dachgeschoss sind an den Stuhlrähmen verblattet.

Es gibt keine zuverlässigen archivalischen Quellen, die über die genaue Bauzeit der Meierei Aussagen machen könnten. Die Darstellungen auf den Karten des 16. Jh. und 17. Jh. sind zu ungenau und widersprechen sich trotz des zum Teil nur geringen zeitlichen Abstands ihrer Entstehung. Eine bauhistorische und dendrochronologische Untersuchung wurde bislang noch nicht durchgeführt, die eindeutige Aussagen über das Fälljahr der verbauten Hölzer sowie über die Bauzeit und die Abfolge der späteren Veränderungen treffen könnte. Die bislang vertretenen Meinungen über ihre Entstehungszeit schwanken zwischen dem 16. Jh. und 18. Jh.

Ein stilistischer Vergleich der profilierten Fenstergewände der Meierei mit denen des 1562-65 errichteten sogenannten Prinzessinnenbaus der Karlsburg in Durlach und der 1553-76 ausgebauten Augustenburg in Grötzingen zeigt eine signifikante Übereinstimmung. Das Steinmetzzeichen auf den Fenstergewänden der Meierei ist allerdings weder an der Karlsburg noch an der Augustenburg zu finden. Die punktuelle, konstruktiv nicht notwendige Verwendung der Verblattung im Dachwerk ist noch eine Reminiszenz an die gegenüber der Verzapfung ältere Konstruktionsweise, die mit regionalen Schwankungen erst im Verlauf des 16./17. Jh. von der Verzapfung endgültig abgelöst wird. Eine Datierung der Meierei noch in die 2. Hälfte des 16. Jh. erscheint daher plausibel. Der Verkauf des Schlosses durch den Ortsadel an den Markgrafen von Baden-Durlach 1593 könnte beispielsweise eine Bautätigkeit des neuen Grundherren ausgelöst haben, in deren Zug die Meierei entstand.

In den Jahren 1999 bis 2001 wurde die stark gefährdete Meierei aufwändig und schonend zur Einrichtung eines psychotherapeutischen Praxis- und Seminarzentrums saniert. Der letzte Zeuge der Rüppurrer Schlossanlage und zugleich das älteste Gebäude Rüppurrs konnte so vor dem Verfall gerettet werden. Die in diesem Zusammenhang durchgeführte restauratorische Untersuchung der Fassaden kam allerdings zu dem Ergebnis, dass die Farbgebung mit kräftig roten Wänden jeder historischen Grundlage entbehrt. Das "Rote Haus" wurde frühestens nach 1972 zum ersten Mal in seiner langen Geschichte rot gestrichen.


Das Denkmal ist nicht öffentlich zugänglich.




Übersicht

Stadt Karlsruhe 2003