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  Tag des offenen Denkmals am 14. September 2003

900 Jahre Rüppurr - Ein ortsgeschichtlicher Rundgang

Kartenausschnitt Rüppurr

 

  1. Straßenbahnhaltestelle "Schloss Rüppurr"
  2. Meierei
  3. Mühle
  4. Nikolauskirche
  5. Gartenstadt, Ostendorfplatz
  6. Ev. Pfarrhaus, Gasthaus "Goldene Krone"
  7. Albbrücke und -wehr
  8. Friedhof
  9. Auferstehungskirche
  10. Kleinbauernhaus, Lange Str. 38
  11. Gasthaus "Zum Lamm"
  12. Freiwillige Feuerwehr Rüppurr
  13. Riedschule
  14. Reihenhäuser, Lützowstr.
  15. Altes Rathaus
  16. Gasthaus "Zum Strauß"
  17. Dreschhalle

Frühe Namen von Rüppur sind Rietburg, Rietpuren, Ripur oder Riepur. Sie bedeuten Haus im Ried oder Sumpf. Warum war das Gelände um das heutige Rüppur so sumpfig? Die Flüsse Kinzig und Murg flossen am Ende der letzten Eiszeit nicht wie heute bei Kehl bzw. Rastatt in den Rhein, sondern vereinigten sich zu dem sog. Kinzig-Murg-Fluß, der parallel zum Rhein floss und erst nördlich von Mannheim in diesen mündete. Als der Kinzig-Murg-Fluß noch vor Christi Geburt verlandete, blieb bedingt durch den hohen Grundwasserspiegel in den Rinnen des ehemaligen Flussbettes (zwischen Rüppurr und Ettlingen) das Gelände jedoch feucht und sumpfig. Am Rand dieser eigentlich siedlungsfeindlichen Gegend entstand Rüppurr.

Die erste urkundliche Erwähnung fällt in das Jahr 1109, möglicherweise jedoch auch schon auf 1103, so dass Rüppurr dieses Jahr sein 900jähriges Bestehen feiern kann. Rüppurr setzte sich ursprünglich aus zwei Ortsteilen zusammen: dem vermutlich älteren Unteren Dorf, auch Klein-Rüppurr oder Schloss Rüppurr genannt, sowie dem Oberen Dorf, für das sich auch die Namen Groß-Rüppurr oder einfach Dorf Rüppurr finden.

Schloss Rüppurr umfaßte mit dem herrschaftlichen Schloss und den dazugehörigen Ökonomiegebäuden (die Meierei, Rastatter Str. 17, ist als einziges Gebäude noch erhalten) in etwa das Gelände des heutigen Parkplatzes (zwischen Herrenalber und Rastatter Straße) hinter dem Polizeiposten. Dazu kamen die Mühle (Rastatter Str. 14/16), einige Gasthäuser sowie ein paar katenähnliche Gebäude. Das Schloss gehörte den Herren von Rüppurr, einem alten Adelsgeschlecht. Die Rüppurrer Bauern mussten für diese Grundherren Frondienste auf den herrschaftlichen Besitzungen am Schloss leisten. 1593 und 1603 erwarben die Markgrafen von Baden-Durlach das Rüppurer Gelände. Das Schloss riss man 1762 ab, ein Großteil der Wirtschaftsgebäude blieb jedoch erhalten und wurde Ende des 18. Jh. in das unter Karl-Friedrich geschaffene Kammergut integriert. Dieses sollte als landwirtschaftliches Mustergut zusammen mit anderen Kammergütern die Hofhaltung des Landesfürsten sicherstellen. Zu diesem Zweck installierte man u. a. ein umfangreiches Bewässerungssystem.

Das Dorf Rüppurr erstreckte sich als Straßendorf (Lange Straße = ehem. Dorfstraße) am Ostufer der Alb entlang. Bis Mitte des 18. Jh. reichte es nur bis vor den Friedhof, dehnte sich bis kurz vor 1800 bis zum Gasthaus Krone/Koffler aus und seit 1821 (westlich der Rastatter Str.) bzw. seit 1870 (östlich der Rastatter Str.) bis zur Nikolauskirche. Erst im 20. Jh. wuchsen Dorf und Schloss Rüppurr richtig zusammen. Das Dorf Rüppurr war ursprünglich ein reines Bauerndorf. Auf dem niedriger gelegenen Gelände links der Alb hatten die Bauern ihre Wiesen, rechts der Alb, etwas höher gelegen und damit sicherer vor Überschwemmungen, die Felder. Neben Ackerbau und Viehzucht betrieben die Rüppurrer auch die Fischerei. Gefischt wurde in der Alb und im "Riepur See" südlich von Rüppurr, der jedoch Ende des 18. Jh. trocken gelegt wurde. Anfang des 19. Jh. habe es in der Alb so viele Lachse gegeben, dass sich Dienstboten vertraglich hätten zusichern lassen, nicht jeden Tag Lachs essen zu müssen. Aber bereits Mitte des 19. Jh. war durch die Fabriken im Albtal das Wasser unrein geworden und der Fluss bei Rüppurr sehr fischarm und das Fischen ergebnislos.

Die Fabriken im Albtal bei Ettlingen, aber auch die Karlsruher und Durlacher Fabriken hatten jedoch noch eine andere Auswirkung auf Rüppurr: Seit den späten 1830er Jahren verdienten sich die Rüppurrer ihren Lebensunterhalt zunehmend durch Fabrikarbeit, wobei die heimische Landwirtschaft im Regelfall Frau, Kinder und Eltern weiterführten. In erster Linie für dieses Industriearbeiterpotential wurde 1897 die Albtalbahn eröffnet (Haltestelle am Schloß und kleiner Bahnhof an der Tulpenstr.), um möglichst rasch und kostengünstig Industriearbeiter vom Land in die Industriezentren zu bringen. In Rüppurr selbst gab es nur wenig Industrie, die sich mit Ausnahme der Chemischen Fabrik (1834 - 1910) im heutigen Märchenviertel auch nicht sehr lange hielt. Handwerker hingegen finden sich in Rüppurr schon ab dem 16. Jh. (Bäcker, Schmiede, Zimmerleute, Maurer etc.). Bedingt durch die Nähe zur Residenz fanden im 19. Jh. viele Rüppurrerinnen als Näherinnen, Büglerinnen und Wäscherinnen ihr Auskommen.

Zwischen Dorf und Schloss Rüppurr lag wohl schon seit Anfang des 12. Jh. die Nikolauskapelle (erste urkdl. Erwähnung von 1351), die von den Rüppurrern jedoch zunächst nur unter der Woche besucht wurde. An Sonn- und Feiertagen gingen sie in die Ettlinger St.-Martins-Kirche, zu deren Pfarrei das Dorf Rüppurr gehörte. D.h., die Rüppurrer waren zehntpflichtig gegenüber St. Martin und seit 1259 gegenüber dem Kloster Lichtental, dem St. Martin eingegliedert worden war. Dem Kloster oblag dafür die bauliche Erhaltung der Kirchen sowie die Versehung der Gottesdienste, auch nachdem Rüppurr durch den Verkauf an die Markgrafen von Baden-Durlach evangelisch geworden war und die Auflösung des Pfarrverbandes mit dem katholischen Ettlingen erfolgte. Um den Rüppurrer Zehnten sowie die Renovierung bzw. den Neubau der baufälligen Nikolauskapelle kam es zu einem jahrhundertlangen Streit, der gegen Ende des 18. Jh. sogar vor dem Reichskammergericht in Wetzlar ausgetragen wurde. Die heutige Nikolauskirche wurde schließlich 1774-76 errichtet.

Bis zur Eingemeindung nach Karlsruhe hatte sich das Straßendorf Rüppurr (Lange Str. und Rastatter Str.) noch kaum in die Breite entwickelt. Lediglich die Allmend- und die Löwenstraße waren teilweise bebaut sowie die ersten Häuser im sogenannten "Neuen Viertel" (auch Göhrenviertel genannt) zwischen Tulpen- und Battstraße seit 1903 errichtet.

Die Eingemeindung zum 1.1.1907 brachte für Rüppurr und Karlsruhe Vorteile: Die Rüppurrer erhielten Gas-, Strom-, Wasser- und Abwasseranschluss sowie ein neues Schulhaus (Riedschule). Die Karlsruher konnten ihr Wasserwerk erweitern, ohne das Gelände von Rüppurr käuflich erwerben zu müssen, sie erhielten Steuerkapitalien in Höhe von über 3 Millionen Mark und eine erhebliche Erweiterung der immer zu engen Karlsruher Gemarkung, die die Erschließung neuer Wohnviertel erschwerte.

Durch die Eingemeindung wurde Rüppurr nun auch für die Karlsruher interessant, die gerne der Stadt entfliehen und im Grünen wohnen wollten. So erfolgte noch im selben Jahr die Gründung der "Gartenstadt Karlsruhe GmbH" und ab 1911 der Bau der Gartenstadt, der zweiten Gartenstadt Deutschlands nach Dresden-Hellerau. In den 1920er und 1930er Jahren wurde das Areal zwischen der Allmendstraße und dem Gasthaus Krone/Koffler sowie das Neue Viertel fertig bebaut. Diese Entwicklung neuer Wohngebiete führte man nach dem 2. Weltkrieg fort: 1953 - 57 das Märchenviertel, ab 1955 die Allmendsiedlung südlich der Allmendstraße und 1963 - 67 die Baumgartensiedlung südlich der Battstraße. In den 1970er Jahren folgten schließlich das Wohnstift am Erlenweg (1971) sowie das IBM-Gebäude (1973) und das Wohnhochhaus mit dem vorgelagerten Terrassenhaus (1974). Nach langer Pause wurden dann erst wieder ab 1990 die Seewiesenäcker bebaut.

Aber nicht nur die ehemaligen Rüppurrer Felder verwandelten sich in Wohngebiete. Auch im alten Dorf gab es Veränderungen: Die heute nicht mehr genutzten Scheunen und landwirtschaftlichen Nebengebäude wurden zu Wohnungen ausgebaut, die ehemaligen Hausgärten entlang der Alb oft mit zusätzlichen Wohnhäusern überbaut.





Übersicht

Stadt Karlsruhe 2003