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Denkmaltag 2011 / Industrie und Technik

Römischer Ziegelbrennofen Grünwinkel

Grünwinkel, Silcherstraße 17

Im Verhältnis zur Größe und zu der wahrscheinlichen Struktur der Siedlung sind bislang wenige römische Befunde und Funde aus Grünwinkel bekannt. Daher ist es nicht mit Sicherheit möglich, die genaue Ausdehnung und das Aussehen der Siedlung zu rekonstruieren. Die Lage des Platzes am nördlichen Ufer der Alb war gut gewählt. Das Hochufer gewährte einen Schutz vor Hochwasser.

 

Die einzelnen Fundstellen:

1. Eckenerstraße/Konradin-Kreutzer-Straße bis hin zur Albkapelle. Die Untersuchung erfolgte von 1932 bis 1948. Nahezu auf dem gesamten Areal des Hochufers der Alb wurden Siedlungsreste beobachtet. Festgestellt wurden Ziegel, Mörtelreste, Gefäßreste aus Keramik sowie wenige Münzen.

2. Eckenerstraße 1 über Zeppelinstraße 37 und 72. Die Untersuchung erfolgte 1922 bis 1926 und galt einem Gräberfeld, das am äußersten Punkt der großen Albschleife liegt. Das Gräberfeld konnte nur ausschnittweise untersucht werden. Insgesamt wurden 59 Brandgräber dokumentiert.

3. Konradin-Kreutzer-Straße 13/14. 1927 wurden in diesem Bereich die Reste eines römischen Steinkellers aufgenommen. Das Gemäuer war etwa 1,80 m in den Boden abgetieft und lässt zumindest eine Zweiphasigkeit erkennen, d. h., der Keller wurde umgebaut. Im ursprünglichen Keller war das Fragment einer Inschrift vermauert, das zu einem weiteren Bruchstück von der Kellersohle passte und ursprünglich zu einem Altar der Diana gehörte. In dem gleichen Keller wurden außerdem eine Statue des Merkurs sowie ein Relief der beiden Götter Sucellus und seiner Gefährtin Nantosuelta gefunden.

4. Gewann „Sargäcker“. 1892, 1899 und 1927 wurden an dem Fußweg von Grünwinkel nach Daxlanden unmittelbar am linken Albufer Hinweise auf eine Siedlung beobachtet: Die Berichte nennen Mauerspuren, Heizkacheln und Leistenziegelfragmente. Außerdem wird berichtet, dass in den anstoßenden Äckern, früher schwere Sandsteinquader und Platten gehoben worden seien und ein gemauerter Steinbrunnen sichtbar gewesen sei.

5. Zusätzlich fand man in dem gleichen Gewann 1899 eine 1 m tiefe längliche Verfärbung, welche Holzkohle, verbrannte Knochenreste und die Reste von etwa fünf Tongefäßen enthielt. Möglicherweise wurden hier die Reste eines Brandgrabes freigelegt.

6. Im Straßenbereich der Charlottenstraße 16 und dem Charlottenplatz 9 bzw. der Charlottenstraße wurde 1922 Keramik geborgen. Genaue Beobachtungen zu den Funden liegen nicht vor.

7. Silcherstraße 16/17; Daxlandener Straße 45 und 47. 1925 wurden flussabwärts drei Ziegelbrennöfen sowie Reste von möglicherweise dazugehörigen „Hütten“ nahe der Alb auf der rechten Seite des Flusses dokumentiert.

9. Christian-Schneider-Straße 18, 20, 22, 24. Für die Jahre 1980 und 1981 verzeichnet das Landesdenkmalamt Meldungen von Terra Sigillata.

10. Eckenerstraße 23. In den 1930er Jahren wurde ein römischer Steinkeller bei privaten Sondagen gefunden.

 

Versuch eines Gesamtbildes

Eine Rekonstruktion der römischen Siedlung und seiner Geschichte ist nach derzeitigem Kenntnisstand aufgrund der großen Wissenslücken nicht abschließend möglich. Hätte man nicht das Gräberfeld, die Ziegelbrennöfen und eine breite Streufundzone im Albuferbereich, so könnte das römische Grünwinkel leicht als „archäologisches Phantom“ abgetan werden.

Die Lebensdauer der Siedlung lässt sich anhand der gefundenen Keramikgefäße grob eingrenzen. Folgt man dem bislang ausgewerteten Fundmaterial, so wurde die Siedlung gegen Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. gegründet. Auch in dem Gräberfeld erfolgen die frühesten Bestattungen gegen Ende des 1. Jahrhunderts. Einige wenige Funde stammen noch aus der frühflavischen Zeit. Nach Ausweis der Funde bestand die Siedlung bis mindestens zum ausgehenden 2. Jahrhundert. Dieses scheinbar frühe Ende überrascht, erfolgte doch die Aufgabe des rechtsrheinischen Obergermaniens rund 60 Jahre später, um die Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. Das Fehlen entsprechender Funde aus dem 3. Jahrhundert ist sicherlich auf die abgetragenen obersten römischen Siedlungsschichten sowie die Erosionskräfte der Alb zurückzuführen. Neue Funde aus dem Bereich der Eckenerstraße 23 reichen bis in die Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. und bestätigen mindestens für diesen Teil des Ortes eine längere Besiedlung. 

Die Siedlung lag nördlich der Alb, genau an einer Stelle, wo die Alb in einer großen Schleife ausschwingt, welche der Bach südwestlich zum Stadtteil Mühlburg beschreibt. Sicher ist, dass sich der Ort in diesem Bereich auf die beiden Hochufer der Alb erstreckte.  Hinweise auf die Ausdehnung bietet die Streuung der verschiedenen Fundstellen. Demnach war ihre  Ausdehnung mit etwa 300 auf 400 m recht weiträumig und griff auf das am äußersten Punkt der großen Schleife gelegene linke Albufer aus. Das Ende der Siedlung lässt sich durch die Lage des Gräberfeldes an der Kreuzung Vogesen-, Eckener- und Zeppelin-/Daxlander Straße eingrenzen. Da es in römischer Zeit verboten war, die Toten innerhalb einer Siedlung zu bestatten, markiert das Gräberfeld das Ende der Siedlung in Richtung Norden. Richtung Süden, flussabwärts erstreckte sich eine Ziegelei, von der drei Ziegelbrennöfen gefunden wurden. Häufig finden sich solche Betriebe aufgrund ihrer Feuergefährlichkeit und Brandgefahr am Rande einer Siedlung, wie z.B. die neueren Untersuchungen von Stettfeld (Gemeinde Ubstadt-Weiher) zeigen.

Die drei Ziegelbrennöfen wurden aus flachen Bruchsteinen, gebrannten und ungebrannten Ziegeln und mit Mörtel aufgemauert. Ofen I besaß einen gut erhaltenen Feuerraum mit Schürhals. Vom Feuerkanal gehen nach beiden Seiten je sechs gleich lange Züge ab. Schürhals und Feuerkanal waren von einem Tonnengewölbe bedeckt, von dem nur noch die Ansätze zu erkennen waren. Der eigentliche Ofen war über 6,20 m lang und somit der größte der drei. Ofen II (Länge 4,40 m) war nicht so gut erhalten wie Ofen I.

 

Am besten erhalten ist Ofen III (Länge 2,90 m). Dieser hat einen fast quadratischen Grundriss und ist mit einem ungewöhnlich breiten Feuerungskanal gebaut. An die Stelle des Tonnengewölbes ist ein falsches, oben spitz zulaufendes Gewölbe aus überkragenden Steinen getreten. Die Lochtenne überspannte den Feuerraum und bildete gleichzeitig den Boden des eigentlichen  Brennraumes. In

diesem Ofen fanden sich noch senkrecht aufgeschichtete Ziegel

 – die Reste der letzten Beschickung. Bei Ofen III, dem kleinsten der Dreiergruppe, entschloss man sich aufgrund seines guten Erhaltungszustandes zu seiner Erhaltung. Möglicherweise lagen in unmittelbarer Nähe auch die Werk- und Wohnstätten der Handwerker. Aber das ist nur Spekulation, denn die Nachrichten sind spärlich. Wir wissen lediglich, dass 1925 die Reste von Hütten angetroffen wurden.

 

Töpfer- und Ziegelöfen waren meist nach einem einheitlichen, in der Regel sehr ähnlichen Schema aufgebaut. Meist wurden zwei bis drei Öfen von einer muldenförmigen Grube aus beheizt. Diese Bedienungsgruben dienten dazu, die Öfen aufzuheizen und das Feuer über einen Schürkanal (Fuchs) aufrechtzuerhalten. Der runde oder ovale Schürkanal verband den Bedienungs- oder Feuerungsraum, der häufig, so auch in Grünwinkel, durch eine oder gerade bei Ziegelbrennöfen durch mehrere Zungenmauern geteilt und durch einen Brennrost abgedeckt wurde. Die getrockneten Gefäße oder Ziegel setzte der Töpfer auf den Brennrost im Brennraum und entzündete das Feuer in dem Feuerungsraum. Die Gefäße wurden anschließend bei über 800 Grad Celsius mehrere Stunden gebrannt. Der Abschluss der Öfen nach oben ist unklar.

Literatur: Peter Knötzele: Von der frühen Besiedelung zur ersten Urkunde, in: Manfred Fellhauer, Manfred Koch und Gerhard Strack (Hrsg.): Grünwinkel. Gutshof, Gemeinde, Stadtteil. Karlsruhe 2009, Seite 30 ff.

Text: Gerhard Strack, Bürgerverein Grünwinkel – Grünwinkler Geschichtskreis

 



Übersicht über die römischen Fundstellen von Grünwinkel

Aufgedeckter Ziegelofen, 1925

Rekonstruktion eines Ziegelofens, 1986