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Denkmaltag 2011 / Sakralbauten und Friedhöfe

Evangelische Lutherkirche

Oststadt, Durlacher Allee 23

Die Ende des 19. Jahrhunderts explodierenden Bevölkerungszahlen ließen Karlsruhe innerhalb von 50 Jahren zu einer Großstadt (1901: 100.000 EW) mit zahlreichen neuen Stadtteilen werden. Zur Versorgung der evangelischen Neubürger wurde die Evangelische Stadtkirchengemeinde umfassend reformiert, indem man Pfarrgrenzen bestimmte, den Gemeinden Pfarrer zuordnete und die Gemeindegröße auf 6000 Mitglieder festlegte. Als um 1900 die Zahl der Gemeindemitglieder der damaligen Oststadtgemeinde (heute Altstadtgemeinde) die 12.000 überschritten hatte, trennte man im Oktober 1900 jenseits des Durlacher Tors die Neuoststadtgemeinde ab.

Die zu dieser Zeit schon lange geplante Kirche wurde 1907 von den Architekten Curjel & Moser als reine Stadtteilkirche der neuen Oststadt an den Gottesauer Platz gebaut. Die Lutherkirche ist ein echtes Kind ihrer Zeit, sowohl theologisch wie baulich nach dem Wiesbadener Programm konzipiert und sozial ausgerichtet, in dem man die Kirche mit Pfarrhaus und Saal zu einer Gebäudegruppe zusammenfasste - eines der ersten Gemeindezentren in Baden.

Architektonisch vereinigt die Lutherkirche die Formensprache der Neoromanik mit der des Jugendstils, einerseits ein kompakter Bau aus Sandsteinquadern, fast wie eine Burg, andererseits finden sich außen wie innen Elemente des Jugendstils (z. B. Verzierungen der Kapitelle, geometrische Ausmalung des Kirchenraums), gepaart mit dem Lebensgefühl der Zeit (Reformkleidung am Kanzelrelief). Auch die Einstellung zur Orgelmusik, Anfang des 19. Jahrhunderts zur „Musik im Gottesdienst“ degradiert, änderte sich, und Orgelkonzerte zogen als „Erbauliche Kirchenkonzerte“ wieder in die Kirchen ein. In der Lutherkirche wird 1907 die mit reicher Klangfülle ausgestattete spätromantische Orgel von Voit & Söhne aus Durlach auf der Orgelempore über Altar und Kanzel errichtet - ganz im Sinne Martin Luthers, für den die Musik eine andere Form der Verkündigung des Wortes war. Diese Anordnung war auch im Sinne des Wiesbadener Programms, man sollte Konzerte genießen können, ohne sich beim Einsatz der Sängerin „den Hals verrenken“ zu müssen. Die 2001 eingebaute deutsch-romantisch gestimmte Mönch-Orgel ist musikalisch und optisch eine Erinnerung an die kriegszerstörte Voit-Orgel.

Kleine Chronologie der Lutherkirche
1889:
Erste Planungen im Zuge der Osterweiterung der Stadt Karlsruhe

1. August 1901:
Philipp Weidemeier wird der erste Pfarrer der damals noch so genannten Neuoststadtgemeinde. Er bleibt bis September 1933 im Amt.

15. März 1905:
Erster Spatenstich

31. Mai 1905:
Grundsteinlegung im Beisein des Großherzogs („als Grundstein wird der Hauptportalpfeiler links, vielleicht ca. 1,00 m über dem Kirchenboden bezeichnet“)

20. September 1906:
Stiftung der "Ehejubiläumsglocke" anlässlich des 50. Hochzeitstages des großherzoglichen Paares, wie die 3 weiteren Glocken von der Firma Bachert, Karlsruhe, gegossen

10. November 1907:
Einweihung der Kirche an Luthers Geburtstag

1919:
Anbringen einer Gedenktafel für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges

1920:
Teilung der Neuoststadtgemeinde in Luther- und Gottesauer Gemeinde. Die beiden Pfarrer halten abwechselnd Gottesdienst in der Lutherkirche.

20. Juli 1924:
Einweihung der "zweiten" Glocken, ebenfalls von Bachert, Karlsruhe, nachdem der erste Satz Glocken im Ersten Weltkrieg zum Einschmelzen abgegeben worden war.

24./25. April 1944:
Erster schwerer Bombenangriff: In der Kirche brennt die Westempore aus und alle Fenster von Max Laeuger werden zerstört.

8. September 1944:
Zweiter schwerer Bombenangriff: Zerstörung des Kirchendaches, des Pfarrhauses und des Konfirmandensaals. Die Bausubstanz der Kirche bleibt erhalten.

März 1946:
Beginn der Wiederaufbauarbeiten

24. September 1948:
Die Kirche wird zum ersten Mal wieder zum Gottesdienst benutzt.

Ende 1951: Mit der Errichtung des Daches ist der Wiederaufbau der Kirche abgeschlossen.

1. Advent 1953:
Einweihung der Walcker-Orgel, Ludwigsburg

April 1956:
Pfarrhaus und Konfirmandensaal sind fertig gestellt.

15. April 1956:
Einweihung des "dritten" Glockensatzes, wieder von der Firma Bachert, Karlsruhe

10. November 1961:
Montage der im Krieg zerstörten Turmuhr

16. Dezember 1961:
Der Einbau der Fenster von Klaus Arnold ist abgeschlossen.

1971:
Die Kirche erhält einen Taufstein.

1983-1984:
Innenrestaurierung der Kirche nach originalem Vorbild

2000-2001:
Einbau der 3. Orgel (Mönch, Überlingen), Einweihungs-Festgottesdienst am 4.11.2001

1. September 2004:
Fusion der beiden Gemeinden zur Luthergemeinde

11.11.2007:
Festgottesdienst zum 100. Geburtstag der Kirche

Literatur:

Hermann Erbacher: Suchet der Stadt Bestes, Ev. Kirchengemeinde Karlsruhe, 1965

Dany Jacqueline Gotzmann, Jürgen Krüger: Die Lutherkirche in Karlsruhe, arte factum, Karlsruhe 2007

Text: Dany Jacqueline Gotzmann



Orgel der Firma Mönch, Überlingen 2001