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Denkmaltag 2011 / Öffentliche Bauten

Ehemalige Telegraphenkaserne, Reitinstitut Egon-von-Neindorff-Stiftung

Nordweststadt, Nancystraße 1

In den Jahren 1906/07 wurde entlang der Hertzstraße für das Telegraphenbataillon 4 eine neue Kaserne erbaut. Bauherr war – entsprechend der Militärkonvention – die preußische Heeresbauverwaltung; als ausführende Architekten werden Pfaff und Schettler genannt. In dem Gesamtkomplex stellen die Reithalle und der Stall aus denkmalpflegerischer Sicht die bedeutendsten Objekte dar.

Die Reithalle ist in Nord-Süd-Richtung orientiert, 18 m breit und 40 m lang; im Norden schließen verschiedene Anbauten (Vorhalle, Remise) an. Die Außenwände sind in Buntsandstein gemauert und durch Pfeiler an den Ecken, acht Wandpfeiler an den Längs-, drei an der südlichen und zwei an der nördlichen Querwand gegliedert. Während das Mauerwerk der Pfeiler außen in voller Höhe sichtbar ist, sind die dazwischenliegenden Wandfelder ab der Unterkante der großen Segmentbogenfenster verputzt. Im Innern tragen die Pfeiler der Längswände über einfachen Kapitellen acht Segmentbogenträger in Holzfachwerk mit eisernem Unterzug, sog. Stephansche Dachbinder, auf denen das Krüppelwalmdach lastet. Dieses ist an der Längsseite durch drei Dreiecksgiebel mit Ovalfenstern aufgelockert. Der offenliegende Dachstuhl der Reithalle ist das beeindruckendste Element der Anlage.

Nördlich der Halle liegt das Stallgebäude. Es ist in Ost-West-Richtung 128 m lang und 11,5 m tief. Es wird durch einen Mittelrisalit und in der Dachgliederung durch Kopfbauten an den Enden gefaßt. Die Wände sind ebenfalls im unteren Teil in Buntsandstein gemauert. Die Segmentbogenfenster haben hier jedoch Umrahmungen aus gelbem Schilfsandstein, sie wurden in späterer Zeit teilweise durch Versetzen der Fensterbänke nach unten vergrößert. An den original erhaltenen Fenstern ist, wie in der Reithalle, die Mechanik zur Bedienung vorhanden. Das Belüftungssystem mit über Hebel zu bedienenden Klappen in der Wand und hohen Entlüftern auf dem Dach ist teilweise noch sichtbar. In diesem Stall waren über 130 Pferde in 1,6 m breiten und 3,2 m langen Ständern mit einer 0,5 m breiten Futterkrippe untergebracht. Über einer durchgehenden Decke befinden sich unter dem Dach kleinere Wohnräume und Heuböden für die Lagerung des Futters.

Bis 1918 wurde das Ensemble durch die Telegrapheneinheit genutzt; dabei wurde 1911 nördlich ein weiteres Stall¬gebäude mit ähnlicher Aufteilung begonnen. 1936-45 waren hier berittene Einheiten der Wehrmacht (Artillerie) untergebracht, zu dieser Zeit wurde auch ein Verbindungsgang zwischen Reithalle und Stall angelegt. Seit 1949 ist die Anlage Sitz des Reitinstituts Egon von Neindorff. Es widmet sich der Pflege der hö¬heren Reitkunst; nach dem Tod des Gründers im Jahre 2004 wird es von der Stiftung in seinem Sinne weitergeführt.

Im Jahre 1999 wurde die Reithalle mit Mitteln der Denkmalpflege saniert. Im Stalltrakt wurden – unter Verwendung von Originalteilen – Zug um Zug 50 Boxen für die Pferdehaltung eingebaut. Jedem Pferd steht heute so das 2- bis 3-fache an Platz gegenüber der ursprünglichen Belegung zur Verfügung.

Unter den Bauwerken, die in Karlsruhe der Pferdehaltung dienten (wie der Marstall des Schlosses, das Landes¬gestüt, die Dragonerkasernen), wurde dieser Komplex als letzter realisiert, im Gegensatz zu den anderen wurde er nicht – durch Kriegseinwirkung oder Umnutzung – zerstört und erfüllt noch heute den ursprünglichen Zweck, was ihn in ganz Baden-Württemberg einzigartig macht.

Text: Clemens Blank (†), Reitinstitut Egon-von-Neindorff-Stiftung



Reithalle, Querschnitt

Reithalle, Stephanscher Dachbinder

Reithalle, Längsschnitt

Stallgebäude, Querschnitt