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Denkmaltag 2011 / Öffentliche Bauten

Das Karlsruher Ständehaus – Parlamentarismus und Revolution im 19. Jahrhundert

Innenstadt-West, Ständehausstraße 2

Das Karlsruher Ständehaus war der erste eigene Parlamentsneubau in Deutschland für die in einigen Ländern des Deutschen Bundes nach 1815 neu eingerichteten "Landstände" (Parlamente). Grundlage war die 1818 von Großherzog Karl auf dem Sterbebett unterzeichnete Badische Verfassung, die erstmals moderne politische Mitwirkungsrechte gestattete. Die erste Ständeversammlung tagte im April 1819 im Schloss, später in einem Privathaus am Rondellplatz, dann in Räumlichkeiten der Museumsgesellschaft (Kaiserstraße/Ritterstraße).

Oberbaurat Friedrich Weinbrenner war von den Abgeordneten mit dem Entwurf eines Neubaus beauftragt worden. Als markante Betonung der Straßenecke wies er eine Rotunde auf und den nach Westen zum Garten hineinragenden halbkreisförmigen Sitzungssaal der Zweiten Kammer. Wegen angeblich zu hoher Kosten wurde Weinbrenner Anfang 1821 abgelöst von seinem Neffen und Schüler und nunmehrigen Militärbaudirektor Friedrich Arnold, der dessen Planung nur unwesentlich modifizierte, u.a. mit einem Mezzaningeschoss (so genanntes Halbgeschoss) und weniger, aber teils grö-ßeren Räumen. Der Sitzungssaal der Ersten Kammer wurde nicht wie bei Weinbrenner in der Rotunde angelegt, sondern über dem Portal in der Ritterstraße. Der Kostenrahmen von 78.000 Gulden wurde mit über 120.000 Gulden letztlich um mehr als die Hälfte überschritten.

Die Wahlrechtsreform mit direkter, anstelle bisheriger indirekter Wahl, und die Vermehrung der Abgeordneten der Zweiten Kammer machten 1905 einen Erweiterungsbau notwendig. Der Karlsruher Architekt Karl Henz fügte ihn an der Ritterstraße nördlich an. Dieser Bau – jetzt Arbeitsgericht – steht heute noch.

Für die Ruine sah das Land nach 1945 keinen Bedarf für einen Wiederaufbau. 1961 begannen gegen kritische Stimmen in der Stadt die Abbrucharbeiten. Es gab verschiedene Überlegungen zu einer Neubebauung. 1979 wurde auf dem west-lichen Grundstücksteil das Gemeindezentrum St. Stephan errichtet. Die restliche 930 qm große Brache blieb ein Park-platz. 1987 erwarb die Stadt dieses Gelände und errichtete 1993 im Bewusstsein der Historie das „Neue Ständehaus“ mit der Stadtbibliothek und der „Erinnerungsstätte Ständehaus“, die als Dauerausstellung einen Rundgang durch die badische Parlaments- und Demokratiegeschichte ermöglicht.

Das Architekturbüro Planfabrik SPS, Ettlingen, nahm mit der Rotunde Bezug auf den historischen Vorgängerbau. Die Fassade ist dem benachbarten Arbeitsgericht und dem Gemeindezentrum angepasst, so dass sie scheinbar drei Stock-werke aufweist, tatsächlich verbirgt sich ein viertes und fünftes Stockwerk unter dem weit auskragenden Gesims und dem Dachstuhl.

Literatur: Udo Theobald (Hrsg.): Das badische Ständehaus in Karlsruhe. Eine Dokumentation über das erste deutsche Parlamentsgebäude. Mit Beiträgen von Ernst Otto Bräunche, Gerhard Everke, Heinrich Hauß u.a.. Karlsruhe 1988.
Heinz Schmitt: Das neue Ständehaus. Stadtbibliothek und Erinnerungsstätte. Herausgegeben anlässlich der Einweihung des neuen Ständehauses in Karlsruhe am 21. August 1993 (Hrsg. von der Stadt Karlsruhe). Karlsruhe 1993.

Text: Jürgen Schuhladen-Krämer, Stadtarchiv und Historische Museen

Altes Ständehaus, Blick vom Friedrichsplatz um 1930 Sitz des Badischen Landtags von 1822 bis 1933/34. Grundsteinlegung 1820, Fertigstellung 1822, kriegszerstört September 1944, Ruine abgerissen 1961/62. Architekt: Entwurf Friedrich Weinbrenner, Vollender Friedrich Arnold.

Sitzungssaal II. Kammer, um 1920

Entwurf Grundriss Erdgeschoss von Friedrich Weinbrenner, 1820

Entwurf Grundriss 1. OG von Friedrich Arnold, 1821

Ruine nach 1945