Hardtwaldsiedlung - die Fassadenfarbigkeit

Damaschkestraße / Ecke Knielinger Allee

Die Jahre nach dem 1. Weltkrieg sind von Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit geprägt. Der Wohnungsbau und die Baustoffproduktion liegen seit Jahren brach, die Geldentwertung führt zusätzlich zu einer Überteuerung der Baumaterialien. Für private Unternehmer ist das Bauen unter diesen Umständen unrentabel. Um für Kriegsheimkehrer und junge Familien möglichst schnell erschwinglichen Wohnraum zu schaffen, bemüht sich unter anderen der Fabrikant Albert Braun um die Zusammenkunft von Stadtverwaltung und Baugewerbe. Im März 1919 wird die „Handwerker-Baugenossenschaft“ gegründet zum Zweck der Zusammenfassung des Baugewerbes zur Erstellung kleiner und mittlerer Wohnungen mit finanzieller Unterstützung öffentlicher Organe. 1927 wird hieraus die „Gemeinnützige Baugenossenschaft Hardtwaldsiedlung“.

Wohnkultur in Zeiten beschränkter Mittel

Vom Badischen Staat wird im April 1919 das Erbbaurecht für das Gelände im Hardtwald erworben. Das Architekturbüro Pfeifer und Großmann entwirft den Bebauungsplan. Der halbkreisförmig ausgebildete Waldring stellt einen Bezug zum nahegelegenen Haydnplatz her. Ein ursprünglich geplanter gegengleicher Abschluss der Siedlung im Norden ist aufgrund der Erweiterung des anschließenden Flugplatzes leider nicht zu verwirklichen.

Bis auf wenige spätere Bauten entsteht die Siedlung zwischen 1919 und 1929. Es werden außer zwei Mehrfamilienhäusern am Anfang der Karl-Schrempp-Straße nur Einfamilienhäuser als Doppel- oder Reihenhäuser erstellt. Allen Familien soll mit einem Garten neben der kostengünstigen Eigenversorgung mit Obst und Gemüse der direkte Zugang zu Natur, Licht und gesunder Luft ermöglicht werden. Zum An- und Abtransport von nötigem Material und Gartenabfällen werden zwischen den aneinanderstoßenden Gärten der einzelnen Straßenzüge Gartenwege angelegt. Zusätzlich bleibt im Waldring und entlang der Knielinger Allee der ursprüngliche gemischte Baumbestand erhalten.
Grundlage für die Bebauung sind zunächst Entwürfe von fünf Architekturbüros. In einer ersten Bauphase entstehen die Häuser der Roggenbachstraße (G. u. F. Betzel), des Waldrings (Pfeifer & Großmann), die ersten vier Reihenhausgruppen der Friedrich-Wolff-Straße (Deines / Betzel) und die Kopfbauten am Beginn der Karl-Schrempp-Straße (Pfeifer & Großmann / Messang).

1921 stoppt die Bautätigkeit zunächst, weil die Stadt mit steigender Inflation keine Erschließungskosten übernehmen will, d.h., Bauerlaubnis wird nur noch an vorhandenen Straßen erteilt. Zu dieser Zeit entstehen vom Deutschen Reich unterstützte Baugenossenschaften (für Beamte / Kriegsversehrte), die auf dem Gelände der Hardtwaldsiedlung bauen. Bei der weiteren Ausdehnung der Siedlung nach Norden nehmen die Bewohner schmale Straßen und sogar fehlende Kanalisation in Kauf, was die Dringlichkeit der Schaffung von Wohnraum deutlich vor Augen führt.

Ab 1922 leitet der siedlungseigene Architekt A. Scheuerpflug die weitere Bautätigkeit. Vorhandene Haustypen werden unterschiedlich kombiniert und Grundrisse weiterentwickelt, um vor allem bei den 3-Zimmer-Häusern den Komfort auf kleinem Raum zu optimieren. Als weitere Annehmlichkeit empfinden die Bewohner das „Verkaufshaus“ in der Knielinger Allee; eine Metzgerei, ein Milchladen, ein Friseur und ein Kindergarten werden mit entsprechenden Grundrissveränderungen wegen stockwerksweiser Nutzung der betroffenen Gebäude in die südliche Damaschkestraße integriert; eine Bäckereifiliale und ein Pfannkuch entstehen in der Friedrich-Wolff-Straße.

Die insgesamt eher auf die Zeit vor dem 1. Weltkrieg verweisende Formensprache wird bei fast durchgehender Achsensymmetrie in der Gebäudeanordnung spielerisch für die individuelle Gestaltung der einzelnen Straßenzüge genutzt und durch differenzierte Material- und Farbwahl verfeinert. Die Identifikation mit der eigenen Straße soll das lange vermisste Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit verstärken.

In den Jahren bis zum 2. Weltkrieg gibt es immer mehr Dachgeschossausbauten, vereinzelt werden auch Bäder eingebaut. An der Erzbergerstraße entstehen in der noch vorhandenen Baulücke an der Einmündung der Knielinger Allee zwei weitere Doppelhäuser entsprechend den vorhandenen Haustypen mit etwas modernerer Formensprache im Detail.

Größere An- bzw. Umbauten, wie für Bäckerei und Pfannkuch beantragt, werden abgelehnt. Nach 1945 werden die wenigen kriegszerstörten Gebäude wieder aufgebaut bzw. repariert. In der Damaschkestraße entsteht hierbei ein Neubau als Mehrfamilienhaus, der sich mit seiner Fassadengliederung an den vorhandenen Gebäuden orientiert. In der Friedrich-Wolff- und Karl-Schrempp-Straße im Bereich der Platzerweiterung werden trotz Umbau zu Mehrfamilienhäusern erhaltene Fassadenteile ergänzt und Gewände wiederverwendet. 1950 wird das letzte freie Grundstück Ecke Erzbergerstraße und Knielinger Allee nach Vorbild der Bauten aus den 1930er-Jahren bebaut. Ein weiterer Neubau entsteht am Ende der Roggenbachstraße zur Moltkestraße hin im Bereich des ehemaligen Wasserreservoirs.

Bei Neuverputzungen während der folgenden Jahrzehnte gehen leider zahlreiche Architekturornamente wie Eckquaderungen, Rundbogennischen über den Fenstern, Stuckschmuck in erhaltenen Rundbögen und besondere Putzstrukturen verloren. Friedrich-Wolff- und Karl-Schrempp Straße verlieren dadurch einen Teil ihrer signifikanten bauzeitlichen Ausprägung. Viele bauzeitliche Holzsprossenfenster und Haustüren werden durch moderne Formen ersetzt. Besonders die Fenster ohne Teilung stören die ursprünglich stimmigen Proportionen.Die bei allen Veränderungen nach wie vor erkennbare Grundidee und Qualität der Siedlung verlangt einen vorsichtigen und verantwortungsvollen Umgang mit der vorhandenen Substanz. Im Zuge neuerer Renovierungen werden die Fassaden nach und nach wieder mit Fenstern nach bauzeitlichem Vorbild bestückt. Eine Wiederherstellung der bauzeitlichen Farbigkeit nach Befunden restauratorischer Untersuchungen und die damit verbundene Freilegung des bauzeitlich offenstehenden Natur- und Kunststeins machen übergreifende und durchgehende Spielregeln, den Reichtum an Variationen und die Betonung der Form durch die Farb- und Materialwahl neu erfahrbar.

 

Text: Ute Schlee, Restauratorin

Literatur / Archivalien: Gemeinnützige Baugenossenschaft Hardtwaldsiedlung Karlsruhe eG.mbH. 1919 – 1929, 
Düsseldorf 1929

Nächste Haltestelle
Neureut Kirchfeld
Linie: S1, S11

Nächster Parkplatz
Adolf-Ehrmann-Bad
Entfernung: ca. 470 m Luftlinie

Anfahrt
Anfahrt mit Google Maps planen

Weitere Denkmale in der Nähe: