Hallenbau A

Lorenzstr 19

Unter den denkmalgeschützten Gebäuden der Stadt Karlsruhe nimmt der Hallenbau A des ZKM eine herausragende Stellung ein, handelt es sich doch um das größte Baudenkmal der Fächerstadt. Kein anderes einzelnes Gebäude überschreitet die Gesamtlänge des Hallenbaus, die 312 Meter beträgt.

Heute Kulturzentrum, früher Munitionsfabrik: Der Hallenbau A

Der Hallenbau A, ein Monument der Industriearchitektur, steht nicht nur für beispielhaftes Bauen von Fabrikanlagen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, sondern zugleich auch für ein dunkles Kapitel der deutschen Geschichte. Im Hallenbau wurden Rüstungsgüter für zwei Weltkriege produziert, wobei im Zweiten Weltkrieg hierfür Tausende von Zwangsarbeitern ihre Arbeitskraft und manche von ihnen auch ihr Leben geben mussten.

Als 1915 mit dem Bau des von dem Stuttgarter Architekten Philipp Jakob Manz geplanten Gebäudes begonnen wurde, befand sich das Deutsche Reich mitten im Ersten Weltkrieg. Zu diesem Zeitpunkt lief auf dem Areal zwischen Brauer-, Garten,- Lorenz- und Südendstraße bereits die Produktion von Rüstungsgütern auf Hochtouren. Hier hatte die 1872 gegründete Metallpatronenfabrik ihren Sitz. Die Aufrüstung des Kaiserreiches im Vorfeld des Ersten Weltkrieges hatte dem Unternehmen volle Auftragsbücher beschert, ein „Milliardenvertrag“ über die Lieferung von Patronen, Granaten und Geschützbauteilen erforderte eine rasche Ausweitung der Produktionsanlagen. So kam es zur Planung des Hallenbaus, dessen Architektur die spezifischen Anforderungen der Waffenfabrik widerspiegelt: Die insgesamt zehn Lichthöfe dienten unter anderem dazu, große Pressen zu montieren, und auch das mittig angeordnete Türmchen war keineswegs nur dekoratives Element. Hier befand sich der Wasserturm, der bei Unterbrechung der öffentlichen Wasserversorgung den Weiterbetrieb der Fabrik sicherstellen sollte. Zugleich markierten die großzügigen Fensterflächen auch eine Zäsur in der Industriearchitektur, sorgten sie doch für natürliches Licht und frische Luft an den Arbeitsplätzen.

Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges begann ein neues Kapitel der Firmengeschichte. Nach den Bestimmungen des Versailler Vertrags war die Produktion von Rüstungsgütern untersagt, so dass auch im Firmennamen die Hinweise auf militärische Güter getilgt wurden. Aus der Deutschen Waffen- und Munitionsfabrik wurden 1922 die Berlin-Karlsruher Industriewerke. Doch dieser Name hatte nur kurze Zeit Bestand. Die Wiederaufrüstung des Deutschen Reiches unter den Nationalsozialisten und der offene Bruch des Versailler Vertrages ermöglichten es, dass 1936 wieder der alte Firmenname angenommen wurde. Wieder lief die Produktion der Waffenschmiede auf Hochtouren. Die DWM stieg zum größten Rüstungsproduzenten in Baden auf. Je größer der Bedarf an Munition und Waffen während des Zweiten Weltkriegs und vor allem nach dem Überfall des Deutschen Reiches auf die Sowjetunion wurde, desto größer wurden aber auch die Probleme, genügend Arbeitskräfte zu finden. Da viele Arbeiter zum Kriegseinsatz abkommandiert waren, mussten die Lücken geschlossen werden. So übernahmen in zunehmendem Maß Frauen die Arbeit in der Munitionsfabrik, doch fehlten im Winter 1941 der DWM immer noch rund 5.000 Arbeitskräfte, um den Lieferverpflichtungen nachkommen zu können. Als Ausweg blieb nur der massenhafte Einsatz von Kriegsgefangenen und zivilen Zwangsarbeitern.

Diese stammten überwiegend aus den besetzten Ländern Osteuropas,  aber auch aus Frankreich, Italien oder den Niederlanden. Untergebracht waren die Zwangsarbeiter zunächst in Hinterzimmern von Gaststätten, mit zunehmender Zahl der Beschäftigten dann vor allem in Barackenlagern. Das größte dieser Lager befand sich im Bereich der heutigen Hardecksiedlung in Grünwinkel. Sowohl die medizinische Versorgung als auch die Verpflegung der „Ostarbeiter“ entsprach keinesfalls den Anforderungen, dennoch mussten sie im Schnitt bis zu 62,5 Stunden pro Woche an den Werkbänken stehen. Von den insgesamt rund 17.000 Zwangsarbeitern, die während des Krieges in Karlsruher Firmen eingesetzt wurden, beschäftigte die DWM über 4.500. In dieser Zahl sind auch diejenigen Zwangsarbeiter enthalten, die in Grötzingen eingesetzt wurden, wo sich eine weitere Produktionsstätte der DWM befand. Darüber hinaus stellte die DWM einen Teil ihres Karlsruher Firmenareals den Mauser-Werken zur Verfügung, welche ebenfalls rund 400  Zwangsarbeiter beschäftigten. 

Im Gegensatz zum übrigen Stadtgebiet wurde der Hallenbau im Zweiten Weltkrieg durch Luftangriffe nur geringfügig beschädigt. Auch dies ist eine tragische Ironie der Geschichte, dass beispielsweise das Karlsruher Schloss oder die Stadtkirche Totalschäden erlitten, während das Herzstück der Rüstungsproduktion nahezu unversehrt blieb. So konnte nach Kriegsende die industrielle Nutzung des Areals weitergehen. Allerdings nicht mehr unter dem Namen DWM, sondern, die abermalige Umstellung von militärischer auf zivile Produktion dokumentierend, als IWK – Industriewerke Karlsruhe. Das Firmenkürzel wurde 1970 um den Standort Augsburg zu IWKA erweitert. Seit 1928 zählte Unternehmen zur Firmengruppe des Industriellen Günther Quandt, der durch Übernahme von zwangsweise arisierten Firmen während des Krieges sein Vermögen beträchtlich vergrößern konnte. Nach ihm wurde von 1939 – 1945 die Gartenstraße in Günther-Quandt-Straße umbenannt. 1980 zog sich die Familie Quandt aus der IWKA zurück.

Etwa zur gleichen Zeit endete die Produktion auf dem Firmenareal in Karlsruhe. Nachdem die IWKA den Umbau zur Holdinggesellschaft vorangetrieben und die einzelnen Betriebszweige in selbständige Firmen umgewandelt oder abgestoßen hatte, fiel die Entscheidung zum Umzug der restlichen Produktion nach Blankenloch. Als letzter Großauftrag des Karlsruher Werkes wurde 1981 die Fertigung von Minen abgewickelt, damit endete die Geschichte des Industriestandortes mit der Produktion von Rüstungsgütern. Nach und nach wurden alle Firmengebäude abgerissen, bis lediglich der denkmalgeschützte Hallenbau übrig blieb Nach einigen Jahren wechselnder Zwischennutzung, unter anderem als Künstleratelier, kehrte ab 1997 neues Leben ein. Das Gebäude wurde zur „Kunstfabrik“, in dem neben dem Zentrum für Kunst und Medientechnologie auch die Hochschule für Gestaltung, die Städtische Galerie und das Museum für Neue Kunst in die zehn Lichthöfe einzogen. An das dunkle Kapitel der Zwangsarbeit in Karlsruhe erinnert ein Mahnmal neben dem Haupteingang des ZKM. Es ist all jenen gewidmet, die zwischen 1939 und 1945 in Karlsruher Industriebetrieben, aber auch bei der Reichsbahn, bei der Stadtverwaltung und in der Landwirtschaft ohne entsprechende Bezahlung und oft unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten mussten.

(Georg Nowak-Hertweck, stattreisen Karlsruhe e.V)

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