Zwischen Durlacher Allee und Hagsfelder Gewerbegebiet, Elfmorgenbruchstraße und Pfinz liegt ein freundliches Wäldchen, durchzogen von Spazier- und Joggingwegen, das Elfmorgenbruch.
Nichts deutet hier auf irgendetwas Spektakuläres oder auf historische Relikte. Dagegen lesen wir in einem Karlsruher Stadtführer von 1815:
"Hat man sich in dem Alleehause (heute: "Mann Mobilia") zu einer weiteren Promenade gestärkt, so findet sich in der Entfernung einer kleinen halben Stunde eine ganz eigne Art Unterhaltung, welche in Deutschland nur selten zu genießen ist. Dort locken zahme abgerichtete Enten ihre in der Freiheit lebenden Schwestern täuschend und unbemerkt auf dem Wasser an den Ort, wo sie umstrickt eine Beute der Entenfänger werden."
An diesem Spektakel amüsierten sich keineswegs nur bürgerliche Spaziergänger; auch beim markgräflichen, später großherzoglichen Hof war es äußerst beliebt. So ließ Markgraf Karl Friedrich 1762 das Entenfängerhaus mit einem geräumigen "Herrschaftszimmer" ausstatten, damit die fürstliche Gesellschaft sich von den Strapazen des Zuschauens gemütlich bei Entenbraten erholen konnte. In erster Linie war der Entenkoy jedoch kein Unterhaltungspark, sondern ein markgräfliches Wirtschaftsunternehmen. Die Durlacher und später auch die Karlsruher Schlossküche mussten von hier mit Geflügel beliefert werden, wobei dann auch noch die kostbaren Daunen anfielen. In den besten Zeiten - Mitte des 18. Jahrhunderts - wurden in der Hauptfangsaison im Durchschnitt über 200 Exemplare pro Woche erbeutet.
Speis' und Spaß - darum ging es von Anfang an. Markgraf Ernst Friedrich nahm in den 1580er Jahren die von seinem Vater Karl, dem Karlsburggründer, begonnene Anlage in Betrieb. Richtig los ging es nach dem Dreißigjährigen Krieg. Die jetzt bevölkerungsarme Stadt Durlach stellte elf Morgen Wiesenland zur Verfügung. (Die Bewaldung ist größtenteils neueren Datums.) Markgraf Friedrich VI. ließ die alte Anlage völlig neu herrichten, den Entensee, Wälle, Zäune, Wehre, Zu- und Ablaufgräben. Und er besorgte sich aus Holland einen Fachmann namens Gerhardt, in dessen Familie das begehrte und gut bezahlte Amt des Entenfängers bis zum Jahr 1831 erblich blieb. Das Koyhaus auf der Wegspinne in der Mitte des Elfmorgenbruchs wurde wohl erst im 18. Jahrhundert errichtet; 1739 wurde es repariert, 1762 vergrößert. Auch die Zufahrt (jetzt natürlich von Karlsruhe her) nahm die Herrschaft in eigene Regie: ein schnurgerader ca. 16 m breiter markgräflicher Streifen quer durch die Durlacher Allmende verband nun Rintheim und das Koyhaus und wurde der Mode gemäß mit Pappeln, später Kastanien, gesäumt. (Den geraden Weg vom "Real" her gab es noch lange nicht.)
Im 19. Jahrhundert wurden die bei den Wildenten beliebten Wasserflächen in der Umgegend rar; die Fangmengen gingen dramatisch zurück. 1867 wurde der Entenfang eingestellt und das Koyhaus auf Abbruch versteigert. 1883 konnte die Stadt Durlach das inzwischen aufgeforstete Koyterrain für 8500 Mark erwerben.
Man fragt sich natürlich: War denn wirklich eine so komplizierte und aufwendige Anlage nötig, um ein paar hundert Enten zu erlegen? Sicher, man muss den Wildenten eine Wasserfläche anbieten, windgeschützt, also mit Wällen und Hecken, dazu eine Anzahl Lockenten. Entscheidend ist, dass für eine Dauernutzung der Gebrauch von Gewehren, Pulver und Blei sich verbietet, denn Enten sind offenbar nachtragend und meiden unangenehm aufgefallene Lokalitäten. Fang und Tötung müssen sozusagen unter Ausschluss der Entenöffentlichkeit erfolgen. Die Lösung: Von den Ecken des quadratischen Sees ausgehend werden 30m bis 80m lange halbmond-förmig gekrümmte Fangarme gegraben (in Durlach drei), die sich trichterförmig von 7 m auf 1 m verjüngen. Als zusätzlicher Sichtschutz werden diese von 2 m hohen gestaffelt aufgestellten Schilfwänden eingefasst. Jeden Kanal überspannt mit Hilfe von Holzkonstruktionen ein am Anfang 6 m hohes Netz, das schließlich in einem Fangsack endet. Der Entenfänger lockt, vom See aus ungesehen, mit Futterwürfen die zahmen Enten samt Gefolge in einen Fangarm hinein, rennt dann hinter der Schilfwand zurück, taucht drohend im Rücken seiner Beute auf und scheucht sie in den Fangsack.
Die Entenfängerei hatte freilich auch viele Gegner - zum Beispiel Anwohner, deren Wiesen zur Unzeit überflutet wurden. Vor der Fronarbeit des Reinigens der Gräben und Reparierens der Stellfallen drückten sich die Dorfleute der Umgegend nach Kräften. Die Müller beschwerten sich wie üblich, dass ihr Wasseranteil geschmälert werde. Und Karlsruhes Baurat Weinbrenner klagte 1811, dass dem Steinkanal nach Karlsruhe Wasser entzogen werde und so die Bautätigkeit in der Residenz zu leiden habe. Kaum zu glauben: Entenfang gegen Weinbrennerbauten!
Hat sich nach der langen Zeit überhaupt noch irgendetwas erhalten außer einem Gewannnamen und dem "Koyweg" in Rintheim? Die eindeutigste Spur sind die Marksteine mit dem badischen Wappen von 1826, die das Koygebiet einfassen und auch den Zufahrtstreifen Richtung Rintheim, den auch noch ein paar Kastanien säumen. Reste des Grabensystems sind noch da, das für Be- und Entwässerung sorgte. (Der auffallende Graben diagonal durch das Gebiet ist allerdings neueren Datums.) An einer Stelle ist noch die charakteristische Krümmung des Fangarmes zu erkennen. Deutlich sichtbar sind die aufgeworfenen Randwälle des Sees. Abseits der Wege sieht der aufmerksame Besucher durch die Stämme Reste der alten Wasserfläche schimmern. Und mit etwas Glück begegnet man sogar einer Wildentenfamilie. Für sie gibt es seit 60 Jahren einige besonders gemütliche und versteckte Kinderstuben: Bombenkrater vom Nachtangriff im April 1944.
Text: Dr. Peter Güß, Freundeskreis Pfinzgaumuseum – Historischer Verein Durlach e. V.
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