Farbkonzepte an historischen Natursteinfassaden im Wandel der Zeit

Bertholdstr 3

Die historischen Natursteinfassaden der Oststadt zeigen eine Vielfalt von Farbkonzepten, die die Baumeister mit unterschiedlichen Färbungen von Sandsteinen der Region, Keramik, edlen Materialien, aber auch Materialimitationen umzusetzen wussten.

Farbkonzepte an historischen Natursteinfassaden im Wandel der Zeit

Der Zahn der Zeit, natürliche oder anthropogene Einflüsse verändern die Farbigkeit dieser Fassaden. Wie gehen wir damit um? Erhaltungsmaßnahmen wie Reinigung, Anstriche, Steinfestigung und Hydrophobierung beeinflussen diese Oberflächen. Infolge von Nutzungsänderungen oder durch Umgestaltungen auf Grund veränderter ästhetischer Vorlieben werden Fassaden oft stark überformt. Über den „richtigen“ Umgang mit diesen Fassaden lässt sich streiten. Wenn wir heute das Wort Fassade hören, assoziieren wir zumeist emotionslos eine beliebige Gebäudehülle. Dabei stammt der Begriff Fassade von „facies“, dem lateinischen Wort für „Angesicht“. Die Gebäude der Oststadt haben sehr unterschiedliche Gesichter. Fröhlich, elegant, wehrhaft, anheimelnd, nüchtern … je nach Form und Farbigkeit der Fassade strahlt ein Gebäude einen eigenen Charakter und eine bestimmte Wertigkeit aus. Diese Vielfalt lässt sich schon auf einem kurzen Rundgang zwischen Lutherkirche und Sankt Bernhard beobachten.

Die 1892 von Max Meckel im neugotischen Stil entworfene Katholische Pfarrkirche Sankt Bernhard wurde ganz aus hellrotem Sandstein erbaut. Die Außenmauern und Pfeiler bestehen aus exakt behauenen Werksteinquadern. Im ursprünglichen Entwurf waren Putzflächen vorgesehen, aber auf Anweisung des Großherzogs sollte an der exponierten Lage am Durlacher Tor steinsichtiges Mauerwerk ausgeführt werden, etwas anderes erschien nicht ausreichend repräsentativ. Die Kirche wurde in sechsjähriger Bauzeit aus Weidenthaler Sandstein errichtet. Für die Bauzier wurde ein farblich passender Vogesensandstein ausgewählt, ein Voltziensandstein, der sich leider als wenig witterungsbeständig erwies. Bei den letzen Restaurierungsmaßnahmen wurden Fialen und Kreuzblumen zum großen Teil in einem beständigeren Material erneuert. Geeignetes Ersatzmaterial muss technisch und farblich auf den Bestand abgestimmt sein. Nicht immer findet sich dazu ein genau passendes Material in den heute verfügbaren Steinbrüchen. Sandsteine sind Sedimentgesteine und können sehr unterschiedliche Zusammensetzungen aufweisen. Je nach Mineralbestand variieren die Farben zwischen grau-gelb-ocker-braun-rot-grünlich. Charakteristisch für den Voltziensandstein sind fossile marine Einschlüsse und verkohltes Nadelholz. Sandstein ist ein poröses Material, das besonders an horizontalen oder schrägen, der Witterung ausgesetzten Flächen Feuchtigkeit speichert. In schattigen Lagen siedeln sich auf diesen Oberflächen gerne Moose an (Abb. 1).

Das zweite markante Kirchengebäude an der Durlacher Allee stammt von dem Architektenduo Curjel und Moser und hat eine völlig andere Anmutung. Wie eine „feste Burg“ aus grob gespitztem Buckelmauerwerk erscheint die 1907 geweihte Lutherkirche aus der Entfernung. Aus der Nähe betrachtet sind akkurat bearbeitete Werksteinflächen mit unterschiedlichsten Mustern zu sehen, die je nach Lichteinfall verschiedenste Assoziationen wecken. Jedes Bauteil der Fassade ist einzigartig gestaltet. Ursprünglich waren Details am Turmhelm sowie an den Säulenkapitellen der Vorhalle mit Vergoldungen verziert, ansonsten waren die Fassaden steinsichtig belassen. Der gelbweiße Sandstein ist infolge von Witterungseinflüssen inzwischen stellenweise stark verfärbt und bildet schädliche, dichte Krusten (Abb. 2-4).

Anders als die nahezu einfarbigen Kirchenbauwerke sind die privaten Wohnhäuser der Oststadt mehrfarbig, manchmal auch kräftig bunt. Die meisten der Mietwohnhäuser sind stilistisch dem Historismus zuzuordnen. Über die „richtige“ Farbe in der Architektur wurde zu dieser Zeit heftig gestritten, und so finden sich stark gesättigte Fassaden mit kontrastierenden Ornamenten neben solchen, die zurückhaltend Ton in Ton gefasst sind (Abb. 5).  

Ansonsten überwiegen in der Oststadt farblich Erdtöne: Sandstein und Ziegelfarben von hellorange bis rot prägen das Erscheinungsbild. An einigen Fassaden sind die Steine lasiert, um eine gleichmäßigere Wirkung zu erreichen. Vor allem in jüngerer Zeit wurden auch deckende Anstriche aufgebracht.

Erker oder Versprünge der gründerzeitlichen Fassaden wurden den natürlichen Licht- und Schatten-Gesetzen folgend meistens in einem helleren Farbton gestaltet als die Hauptfassade. An vielen Fassaden findet sich für Gestaltungselemente z. B. der weiß-gelbliche Klingenmühler Sandstein. Helle Gesteine lassen in größerer Entfernung noch Details erkennen, die bei dunklen Materialien nur undeutlich oder gar nicht mehr wahrgenommen werden können. Die Wirkung der Bauzier an der Fassade wurde vom  Architekten genau geplant und die perspektivische Wahrnehmung von unterschiedlichen Standpunkten eines Betrachters dabei berücksichtigt. Sehr schön lässt sich das an den Sockelgesimsen ablesen. Gesimse im 1. oder im 2. Obergeschoss haben bei diesen Fassaden eine andere Durchbildung als die im unteren Fassadenbereich, denn sie sollen auch vom entferntest möglichen Standort aus zur Geltung kommen. Auch die Schattenwirkung der vorspringenden Werksteine wurde gekonnt genutzt (Abb. 6).

Um Flächen aus Ziegelmauerwerk plastischer wirken zu lassen, ließ man das Fugennetz zurückspringen – eine Technik, die konservatorisch heute an vielen Fassaden Probleme macht. Ziegel sind poröse Baustoffe. Während die Sichtflächen bei ausreichend gebrannten Ziegelsteinen infolge des Formgebungsprozesses eine vergleichsweise dichte Brennhaut besitzen, saugen die poröseren Lagerflächen eindringendes Regenwasser gierig auf. Wasser kann bei zurückliegenden Fugen leichter ins Mauerinnere eindringen und Schäden verursachen. Werden bei Instandsetzungen solche Flächen bündig verfugt, geht aber die plastische Wirkung der Fassade verloren (Abb.7).

Die Sockelflächen und die Erdgeschossfassade eines Bauwerks sollten Stabilität ausstrahlen. Diesen Effekt erreichten die Architekten, indem sie dunklere Farbtöne oder größere Steinformate als in der Hauptfassade verwendeten. Häufig wurden die Sockel durch Gesimse und Bossenmauerwerk stark strukturiert. Heute sind viele der Wohnhäuser im Erdgeschoss in Läden mit Schaufensterflächen umgebaut worden. Bei sehr heller Materialwahl und Farbgestaltung wirken die darüber liegenden Fassaden oftmals eigentümlich schwebend (Abb. 8, 9).

Besonders elegant wirken die Jugendstilfassaden in der Melanchthonstraße, mit denen wir unseren Rundgang beschließen. Die Namen bekannter Architekten finden sich unter den Baumeistern dieser Häuser: Robert Curjel und Karl Moser wie auch Hermann Billing. Grau abgetönte, dezent eingefärbte Putzflächen bilden in Kombination mit hellem Sandstein eine Art Malgrund für florale oder geometrische Elemente in Stuck oder Werkstein. Belebt wurden diese Fassaden ursprünglich durch bunt gefasste Türen und Fensterrahmen sowie durch bunte Verglasungen, die heute leider nur noch vereinzelt erhalten sind (Abb. 10, 11).

Text: Claudia Neuwald-Burg, Dr. Elke Koser, Erhalten historisch bedeutsamer Bauwerke e.V.

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