Ehemaliges Amtsgefängnis, heute JVA Karlsruhe

Riefstahlstr 9

In der nach 1870 schnell wachsenden Stadt Karlsruhe stieg auch die Zahl der Kriminalfälle stetig an. Die bisher vorhandenen Gefängniszellen im Turm des Rathauses und im Hof des Landgerichts reichten zur Unterbringung der Gefangenen nicht mehr aus. Abhilfe konnte nur ein Gefängnisneubau schaffen, der 1894-97 nach einem Entwurf des Architekten Josef Durm errichtet wurde.

Ehemaliges Amtsgefängnis, heute JVA Karlsruhe

Als Bauplatz wurde ein Gelände in der Weststadt zwischen Kaiserallee, Moltke- und Reinhold-Frank- Straße (damals Westendstraße) gefunden, in einem Stadtviertel, in dem ein großbürgerliches Villenviertel projektiert war und repräsentative Großbauten bereits entstanden waren oder noch entstehen sollten wie die Christuskirche, das Verwaltungsgebäude der Karlsruher Lebensversicherung (heute  Rathaus-West) oder das Oberlandesgericht.

Josef Durm sah daher die Notwendigkeit, das Äußere des Gebäudes auf seine Umgebung abzustimmen und auf die typische Erscheinungsform eines Gefängnisses mit kleinen vergitterten Fenstern und hohen Mauern zu verzichten. Als Vorbild und „Mustergefängnis“ galt „eines der interessantesten  Gefängnisse des europäischen Russlands, das Untersuchungsgefängnis in St. Petersburg“, das 1873-1875 am Liteni – Prospekt von dem Architekten Majewski erbaut worden war und eher für ein Rathaus oder Museum gehalten werden konnte.

Eine solche „architektonische Maske“ wählte Durm auch für den Neubau des Amtsgefängnisses in Karlsruhe. Der Vierflügelbau mit abgerundeten Ecken erscheint von außen wie ein Palazzo der  toskanischen Frührenaissance: Auf einem hohen Sockel erheben sich zwei Stockwerke, ein vermeintliches 'piano nobile'  mit hohen Biforienfenstern und ein mezzaninartiges zweites Stockwerk, das durch kleinere, jeweils zu Dreiergruppen zusammengefasste Rundbogenfenster gegliedert ist. Die innere Aufteilung des Gebäudes ist von der äußeren 'Scheinfassade' völlig unabhängig. Die Gefängniszellen sind einseitig zum Innenhof orientiert und – im Gegensatz zu dem zweigeschossigen Äußeren - in drei Geschossen angeordnet. Sie werden durch umlaufende, zur Straße liegende Laufgänge erschlossen, die durch Treppenhäuser in den Gebäudeecken zugänglich sind. Die Hoffassaden sind rein funktional gestaltet und zeigen eine typische Gefängnisfassade mit in drei Geschossen regelmäßig angeordneten, querrechteckigen und kleinteilig vergitterten Fenstern.
Die beiden nach Ost und West orientierten Langseiten werden durch Risalite strukturiert. An der Westseite rahmen zwei turmartige einachsige Risalite die mittleren drei Achsen. Der Mittelteil der  Ostseite wird durch einen fünfachsigen Mittelpavillon betont und damit als Hauptfassade ausgezeichnet. Links und rechts davon liegen zwei Hoftore, die in den Innenhof führen und ursprünglich für männliche und weibliche Gefangene gedacht waren.
Zu seiner Entstehungszeit hatte das Gefängnis 124 Zellen für Einzelhaft, zehn Kranken- und vier Arbeitszellen. In den Mittelpavillons der Ost- und Westseite waren Beamtenwohnungen untergebracht.

Die als Zitate markierten Stellen sowie die Abbildungen stammen aus: Josef Durm, Das neue Amtsgefängnis in Karlsruhe, in: Centralblatt der Bauverwaltung 1897, S. 551.

Text: Dr. Elisabeth Spitzbart, ArtRegioTours

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