Turnhalle im Tribünengebäude, Bild: © 1930, saai
Engesserstr. 17 / Engesserstr. 7, 9 / Richard-Willstätter Allee 4, 4a, 6 (Flstnr. 6532, Uni-Geb.Nr.: 30.81), Innenstadt-Ost
Tribünengebäude des ehem. Hochschulstadions, 1927-30 von Hermann Reinhard Alker.
In den 1920er Jahren begeisterte sich eine junge Generation zunehmend für Sport. Zu trainieren, sich mit anderen zu messen und Sportdarbietungen in Großveranstaltungen zu erleben, wurde zum Phänomen einer modernen Massengesellschaft, die den Körper neu entdeckte und dessen Gesundheit und Leistungsfähigkeit thematisierte. Dabei waren es nun nicht mehr vor allem die seit "Turnvater" Jahn bekannten Vereine, die Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung boten. An der Technischen Hochschule Karlsruhe setzte sich Wilhelm Paulcke (1873?1949), Professor für Geologie und Mineralogie, als unermüdlicher Verfechter für eine starke Einbindung von Sport in das Studium ein. Selbst begeisterter Skifahrer und Mitbegründer des Deutschen Skiverbands, wollte er das antike Motto vom "gesunden Geist im gesunden Körper" an der Fridericiana neu belebt wissen. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs zum Rektor gewählt, arbeitete er trotz schwieriger äußerer Bedingungen an der Umsetzung seiner Idee, die er geschickt vorantrieb, indem er die Rolle des Sports für Erziehung und Volksgesundheit betonte, als auch ? mit deutlich nationalistischem Unterton ? die Wehrertüchtigung der männlichen Jugend nach der vom Versailler Vertrag erzwungenen Entmilitarisierung Deutschlands beschwor. Paulcke konnte erreichen, dass das Land ein beträchtliches Stück des Fasanengartens, bis 1918 ummauertes Refugium der großherzoglichen Familie, der Hochschule für ihre weitere bauliche Entwicklung überließ. Hier, zwischen der heutigen Engesserstraße im Süden und der Richard-Willstätter-Allee im Norden, stand nun genügend Platz für die angestrebten hochschuleigenen Sportanlagen zur Verfügung. Wegen Inflation und prekärer Finanzlage war an eine schnelle Realisierung freilich nicht zu denken. Nach Rodungsarbeiten und der Anlage von ersten provisorischen Spielfeldern wurde 1924 unter geladenen Karlsruher Architekten ein Wettbewerb für die bauliche Gestaltung ausgeschrieben. Den ersten Preis und den Auftrag zur weiteren Bearbeitung erhielt der als Lehrer an der Architekturabteilung tätige Hermann Reinhard Alker (1885?1967), einer der bedeutendsten Architekten der 1920er-Jahre in Baden. Sein Projekt verfolgte das Ziel, den bislang fehlenden städtebaulichen Mittelpunkt des architektonisch disparaten Hochschulgeländes zu schaffen: An der späteren Engesserstraße sollte ein Stadion für Fußball und Leichtathletik entstehen mit nördlich anschließenden Tennis- und Übungsfeldern sowie einem nach Osten hin gelegenen Schwimmbecken. Als Angelpunkt der streng geometrischen Anlage war das Tribünengebäude des Stadions geplant, das 800 überdachte Sitzplätze bieten, aber auch eine größere Turnhalle mit Duschen, Umkleiden und zusätzlichen Räumen für das Institut für Leibesübungen aufnehmen sollte. Eine von der Tribüne axial zur Kaiserstraße führende Allee sollte für die Anbindung an die Stadt sorgen und zudem als Rückgrat für eine spätere Campusbebauung mit raumbegrenzenden Baufluchten dienen. Der Bau konnte nur in Etappen bewerkstelligt werden. Nach einer Spendenaktion sowie mit finanzieller und logistischer Hilfe der Stadt ? einem kommunalen Beitrag zum hundertjährigen Hochschuljubiläum 1925 ? wurden die Ränge des Stadionrandes aufgeschüttet und mit Sitzstufen versehen, ebenso die Trainingsfelder nördlich davon angelegt. Im Juli 1927 wurde der erste Bauabschnitt der Tribüne mit der Turnhalle in Benutzung genommen, die Fertigstellung der Tribünenüberdachung, die die Stuttgarter Betonfirma Wayss & Freitag ausführte, ließ noch bis Herbst 1930 auf sich warten. Zeigte Alkers Wettbewerbsentwurf von 1924 zunächst eine für einen Ostendorf-Schüler nicht überraschende neoklassizistische Formensprache, so vollzog der Architekt in der folgenden Ausführungsplanung für das Tribünengebäude eine stilistisch bemerkenswerte Wende zu einem Bauen zwischen neuer Sachlichkeit, klassischen Anklängen und expressivem Ausdruck, ein Stil, den man zuvor in Karlsruhe nicht gesehen hatte. Auf äußerst innovative Weise bestimmt die Stahlbetonkonstruktion der für damalige Verhältnisse ungewohnt weit auskragenden und stützenlosen Tribünenüberdachung das Erscheinungsbild ? auch auf der Straßenseite, wo sich die statisch notwendigen Zuganker zu einer monumentalen Pfeilerfront moderner Art reihen. In der Sporthalle unter den Rängen der Tribüne fangen hingegen spitzbogig zulaufende Stichbögen die Lasten ab, die dem Raum einen fast sakralen Charakter verleihen. Auch die Materialität der Oberflächen und die außergewöhnliche Sorgfalt der Detaillösungen machen den Bau zu einem besonders qualitätvollen Architekturzeugnis seiner Zeit: Beton wird innen wie außen unverputzt und mit verschiedenen Bearbeitungen vorgeführt, das sockelartige Erdgeschoss sogar in Waschbeton, der hier erstmals in so großen Flächen angewandt wurde. In einem kräftigen Kontrast dazu steht der rote Backstein der Wandflächen, die durch die Linien der hellen Fugen belebt werden. Auch wenn wichtige Elemente der Gesamtanlage nicht realisiert werden konnten, vor allem das Schwimmbecken, das die räumliche Verbindung mit dem um 1930 von Fritz Hirsch erbauten Studentenhaus am heutigen Adenauerring herstellen sollte, besaß die Karlsruher Hochschule nun ein eigenes Sportgelände, das sich sehen lassen konnte und mit dem man stolz in einer eigens herausgegebenen Broschüre zum Studium in Karlsruhe warb. Da es in der Stadt keine andere repräsentative Arena für Großveranstaltungen gab, wurde das Hochschulstadion nach 1933 auch zum bevorzugten NS-Aufmarschplatz. Im März 1936 hielt Hitler hier in einem eigens aufgebauten Riesenzelt vor Zehntausenden von "Volksgenossen" seine einzige Rede in Karlsruhe. Die Tribüne dürfte ihm wenig gefallen haben, und Alker, der es bis zum Stadtbaurat der "Hauptstadt der Bewegung" bringen sollte, beschäftigte sich mehrfach mit Plänen, die Anlage funktional und formal dem Geschmack der neuen Machthaber anzupassen. Zeitweise war etwa die Ergänzung um eine Thingstätte im Gespräch. Der Zweite Weltkrieg ließ das Hochschulstadion weitgehend unbeschädigt. Noch bis in die 1950er-Jahre fanden hier neben dem studentischen Sportbetrieb größere Veranstaltungen statt. Der immense Flächenbedarf der TH für Institutsneubauten führte nach 1960 nach längerem Ringen aber zum Entschluss, die Sportstätten an dieser Stelle aufzugeben. Die Stadionwälle wurden bis auf einen Rest planiert. Die neuen gewaltigen Chemiehochhäuser rückten der Tribüne nun gefährlich nahe. Deren Abbruch war beschlossene Sache, bis nach kontroverser Diskussion Ende der 1970er-Jahre in letzter Minute die Denkmaleigenschaft anerkannt wurde. Nach einer Sanierung 1994/95 wird der Tribünenbau heute vielfältig genutzt für studentische Veranstaltungen, als Arbeitsräume und Kneipe. Obwohl nur noch ein Relikt eines ursprünglich größeren Zusammenhangs und umgeben von einem Sammelsurium späterer Großbauten, erfüllt er heute noch die Intention des Architekten, dem Campus einen architektonisch markanten Blickpunkt zu geben. Text: Dr. Gerhard Kabierske, Südwestdeutsches Archiv für Architektur und Ingenieurbau (saai)
Denkmal nach § 12 (Kulturdenkmal besond. Bedeutung) Denkmalschutzgesetz
Baujahr: 1927
Turnhalle im Tribünengebäude Bild: saai , 1930
Hermann Reinhard Alker, Vogelschau des Hochschulstadions Bild: saai, 1930