Haydnplatz

Haydnplatz 1

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Treffpunkt, Öffnungszeit und Führungen

14.15 Uhr (stattreisen e.V.: Renate Straub), Treppe gegenüber des Brunnes an der Nördlichen Hildapromenade

organisiert von stattreisen e.V.

Der Haydnplatz: Plagiat? Barocke Gartenkunst? Gartenarchitektur?

 

Der Haydnplatz, repräsentativster Platz der Weststadt, hat eine interessante Entstehungsgeschichte.

Seit Anfang der 1890er Jahre diskutierte man die Baufluchten für die Platzanlage sowie des darum entstehenden Wohnviertels. Während die Stadterweiterungsgebiete der 1860er, 70er und 80er (Südstadt, Südweststadt, Weststadt südlich der Kaiserallee) aus wirtschaftlichen Gründen durch den geometrischen Städtebau mit rasterförmig geordneten Straßenquadraten geprägt wurden, gab Camillo Sitte durch sein 1889 erschienenes Buch „Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen“ neue Denkimpulse. Städtebau sollte wieder mehr sein als eine Ingenieuraufgabe mit spekulativen Hintergrund – die ästhetischen, künstlerischen Gesichtspunkte traten erneut in den Vordergrund.

 

So wurde für den Haydnplatz 1894 ein Baufluchtenplan (Abb. 1) erarbeitet, der einen halbkreisförmigen Platz zeigt, in England als „crescent“ schon seit dem 18. Jahrhundert bekannt. Die vielen spitzen und stumpfen Winkel eines solchen Baufluchtenplanes riefen jedoch in Hinblick auf eine spätere Bebauung Kritik hervor. Ein weiteres Problem brachte die Bahntrasse der Maxaubahn mit sich, die seit 1862 durch den Hardtwald verlief und eine einheitliche Planung für das neue Viertel erschwerte. Das städtische Tiefbauamt versuchte nun 1895, den Kurvenverlauf der Bahn für die Straßenplanung zu übernehmen. Dieser Plan (Abb. 2) entsprach zwar der neuen Idee des malerischen Städtebaus, wurde aber vom Hofbauamt mit dem Argument zurückgewiesen, dass diese Unregelmäßigkeit nur für Gartenanlagen tauge. Die großherzogliche Verwaltung beauftragte nun 1898 Adolf Hanser mit einem Gegenbebauungsplan, der den Aspekt des Verkaufswertes wieder in den Vordergrund stellte. Dafür eigneten sich ohne Zweifel rechtwinkelige Parzellen am besten. So begradigte Hanser wieder alle Straßenverläufe und reduzierte den Platz auf einen schmalen Grünstreifen, um möglichst viele Bauplätze zu erhalten (Abb. 3). Die Straßen sollten mit großen Mietshäusern bebaut werden. Diese Art der Bebauung war Ende des 19. Jahrhunderts jedoch schon überholt, so dass Hanser den durch den Großherzog bereits genehmigten Plan nach einem Gespräch mit der Stadt wieder zurückzog. Letztlich blieb es wohl im Sinne eines Kompromisses bei dem ersten Plan von 1894. Der südlich der Bahntrasse gelegene Teil der Platzanlage konnte jedoch nicht verwirklicht werden, da der Groherzog als Grundstückseigentümer das Land dem Ludwig-Wilhelm-Krankenhaus des Badischen Frauenvereins (heute: Psychiatrie des Städtischen Klinikums) schenkte.

 

Die Bebauung des Platzes erfolgte zwischen 1903 und 1913 durch Heinrich Sexauer. Er kaufte alle Grundstücke und plante und realisierte für sich und andere Bauherren die Bebauung. Mieter der Wohnungen war das Großbürgertum, z.B. Rechtsanwälte, Direktoren, Fabrikanten, Bankiers, Architekten, arrivierte Künstler.

 

Wirklich fertig gestellt wurde der Haydnplatz durch den Ausbruch des 1. Weltkrieg jedoch nie; das Grundstück Ecke Mozartstraße (westl. Seite) blieb bis in die 50er Jahre unbebaut. Dies hatte zur Folge, dass auch der dem östlichen Pendant entsprechende die Mozartstraße überspannende Torbogen nie errichtet werden konnte, da dafür schlicht das Gegengebäude fehlte. Etwas anders verhält es sich mit dem mittleren fehlenden Torbogen: Hier scheiterte der Bau zunächst am Einspruch der Nachbarschaft. 1913 wurde der Torpavillon schließlich durch das Bezirksamt genehmigt, damit die am Ende der Beethovenstraße liegende Kadettenanstalt, die keine architektonische Zierde wäre, besser verdeckt würde. Zum Bau kam es aus finanziellen Gründen jedoch nicht mehr (Sexauer stand 1915 am Rand des finanziellen Ruins).

 

Sexauer plante zunächst eine ganz andere Architektur, als später gebaut. Seine Entwürfe von 1901 zeigen ein abwechslungsreiches Spiel mit spätbarocken Motiven. Friedrich Ratzel, der für das Hofbauamt die Entwürfe begutachtete, sprach sich sehr für diese Pläne aus, um „keine uniformierte Langeweile wie am Friedrichsplatz“ aufkommen zu lassen. Jedes gleichförmige Schema garantiere nur Langeweile. Trotz dieser Empfehlung stand die Stadt den Entwürfen kritisch gegenüber, so dass Sexauer sich schließlich doch für eine gleichförmige Platzbebauung im Geiste des Klassizismus entschied.

 

Von Anfang an spielte die gärtnerische Gestaltung des Platzes für Sexauer eine große Rolle; sie sollte die Architektur der Gebäude ergänzen. Zunächst (1909) wurde jedoch vom damaligen Gartenbaudirektor Ries eine im Stil des 19. Jahrhunderts kleinteilige Bepflanzung mit Bäumen, Büschen und Rosen verwirklicht. Sexauer gab jedoch nicht auf und versuchte die Stadt mit einem Mäzen für einen Brunnen zu ködern, um den Platz doch nach seinen Vorstellungen realisieren zu können. Ihm schwebte eine Grünanlage mit Brunnen im Stile französischer Gartenarchitektur des Barock vor.  Sein Onkel, der in München lebende Maler Albert Lang, versprach die hohe Summe von 100.000 Mark zu stiften, falls die Stadt Sexauer mit der Neugestaltung des Platzes beauftragen würde. 1911 legte Sexauer einen Plan vor, der eine Absenkung des Platzes um einen Meter vorsah, um die Monumentalität der umliegenden Gebäude zu steigern. Die symmetrische Anlage sollte streng architektonisch gegliedert sein. Bäume, die die Fassaden der Randbebauung verdeckt hätten, waren nicht vorgesehen. Den Blickfang bildete eine breit gelagerte, terrassenartige Brunnenanlage, die das optische Verbindungsglied  zwischen Grünfläche und Straßenniveau darstellte. Auf den zwei Sockeln waren Figurengruppen mit Rossebändigern vorgesehen. Der Brunnen erinnerte an Pferdeschwemmen, die den Tieren als Bad dienten. Im Barock wurden solche Einrichtungen gerne zu monumentalen Schmuckanlagen ausgebaut. Die Rossebändiger dienten zudem als Sinnbild für die Beherrschung der Naturkräfte durch den Menschen. Geplant war die Ausführung der Skulpturen durch Bernhard Bleeker.

 

Die Stadt zeigte Interesse an einem für sie kostenlosen Brunnen. Zudem stellte sich heraus, dass es sich bei der Anlage von Ries um ein Plagiat des Feldherrnplatzes in Dresden handelte, dessen Entwurf von dem renommierten Berliner Gartenarchitekt J. P. Großmann stammte, den dieser in einer Fachzeitschrift veröffentlicht hatte. Als Großmann ein Honorar forderte, erklärte der Stadtrat daher schnell, dass die Gestaltung des Platzes sowieso geändert würde. Somit kam nun Sexauers Entwurf zum Zuge. Ries versuchte aber nach wie vor, Sexauers Pläne zu sabotieren. So „vergaß“ seine Behörde bei der Kalkulation des Projekts, die Kosten für die Tieferlegung des Platzes mit einzubeziehen. Der Stadtrat entschloss sich auf Grund der fehlenden Mittel daher gegen diese Tieferlegung. Sexauer wiederum legte dar, dass es sich bei seinem Entwurf um ein Gesamtkunstwerk handelte, das sich nicht stückweise realisieren lies. Der Stadtrat beharrte jedoch auf seiner Entscheidung, auch die Drohung des Brunnenstifters, seine Geldzusage zurückzunehmen, konnte ihn nicht umstimmen. Erst ein Gutachten des Münchner Architekten und Stadtplaners Theodor Fischer half Sexauers Plan zum Durchbruch.

 

Die Tieferlegung des Platzes und die gärtnerische Gestaltung erfolgten 1915, der Brunnen wurde 1916 in Betrieb genommen. Bronze für den Guss der Rossebändiger stand zu diesem Zeitpunkt kriegsbedingt jedoch nicht mehr zur Verfügung. Nach dem Krieg hingegen dürfte die Inflation dazu geführt haben, dass Albert Lang nicht mehr über die notwendigen finanziellen Mittel verfügte. So blieben die Podeste bis 1973 leer. Erst zu diesem Zeitpunkt wurden die Plastiken „Orpheus“ (thrakischer Sänger und Erfinder der Musik) und seine Gattin „Eurydike“ aufgestellt, die einen Bezug zum „Musikerviertel“ herstellen sollten.

Ein Relikt der Riesischen Anlage ist jedoch noch vorhanden: Die Bäume entlang der Straßen blieben erhalten.

 

1955 erfuhr die Anlage einige Änderungen: die Böschungen wurden abgeflacht, der Kiesweg in der Mittelachse und die Wege um das Brunnenbecken entfernt sowie beidseitig des Brunnens asymmetrische Ziergehölze gepflanzt. Alles Maßnahmen, die dem architektonischen Charakter des Platzes nicht entsprechen.

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