10 Uhr Führung mit Elke Schneider, stattreisen Karlsruhe e.V., Treffpunkt: Kronenplatz, Narrenbrunnen
Das "Dörfle" - ja was ist das überhaupt? Kolportiert wird da seit jeher viel. Manche Alteingesessenen warnen noch heute ihre Heranwachsenden vor den "Gefahren" dieses Stadtteils. Das "Dörfle": Brutstätte und Heimstatt des Karlsruher Proletariats und allen erdenklichen Lasters. Stimmt das so uneingeschränkt, was verbirgt sich dahinter? Das Dörfle ist die "Altstadt" von Karlsruhe. Es liegt zwischen der Innenstadt, zu der es administrativ gehört, und der Oststadt, grob eingegrenzt von der Kaiserstraße im Norden, der Kriegsstraße im Süden, der Kapellenstraße im Osten und der Kreuzstraße im Westen.
Was ist vom alten Dörfle nach der Stadtteilsanierung des 20 Jahrhundert noch erhalten?
Historischer Ausgangspunkt für die Entstehung von "Klein Karlsruhe", wie das "Dörfle" auch genannt wird, war der Schlossbau. Hierzu strömten sowohl aus den gesamten süddeutschen Landen als auch aus Süditalien Wanderarbeiter in den lediglich durch Weiden unterbrochenen Hardtwald zwischen Schloss Gottesaue und dem Dorf Mühlburg. Im Laufe der Zeit nahm die Stadt Gestalt an, im Zentrum stand die Schlossanlage, von der sich fächerförmig die Straßen Richtung Süden ausbreiteten. Das geographische Ende bildete die sogenannte "Lange Straße", heute Kaiserstraße, mit dem Marktplatz als bürgerliches Zentrum. Während sich die mit Bürgerrechten ausgestatteten Bewohner in der neuen Stadt offiziell niederließen, errichteten die Arbeiter ihre eigene kleine Siedlung am südöstlichen Rand der neuen Residenz der Markgrafen von Durlach. Heute würde man dazu "Slum" oder "Favela" sagen, was damals aus der Not geboren wurde. Doch auch nach Fertigstellung der Kernstadt blieben die Menschen in ihren notdürftig aus Abfallholz errichteten Hütten und bauten diese weiter aus. Das "Dörfle" erhielt seine offizielle Legitimierung als Stadtteil erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts, doch an eine Beseitigung dieses Fremdkörpers am Rande der schönen neuen Residenz war zu keinem Zeitpunkt zu denken. Hier brachte der Markgraf einen Großteil seiner Haustruppen im Bürgerquartier unter, hier ließen sich Handwerker und Gewerbetreibende nieder, ohne die letztendlich ein Fortbestand der Kernstadt undenkbar geworden wäre.
Allerdings entwickelte sich das "Dörfle" von Beginn an zu einem Magnet für die Unterschicht, die sozialen und hygienischen Verhältnisse waren katastrophal, und manch andere Missstände leisteten der Entwicklung weiteren Vorschub.
Heute gibt es längst nicht mehr nur Tagelöhner und Handwerker, Soldaten und "liederliche Weibsbilder” in der Karlsruher Altstadt. Flair und Lebensart, aber auch gewaltige städtebauliche Ein-griffe in die gewachsene Struktur des Viertels durch Abrisse und Neubauten sind das Ergebnis einer Jahrzehnte andauernden Sanierung. Diese fand mit der spektakulären Restaurierung des "Seilerhäuschens" (Kaiserstr. 47) 1998 – 2000 einen unerwarteten Höhepunkt und Abschluss.
Der westliche Teil des "Dörfles" jenseits der Fritz-Erler-Straße wurde Opfer einer der letzten großen Flächensanierungen in Deutschland, aber auch einer der ersten, bei der man wieder zur Blockrandbebauung zurückkehrte, statt Wohnblocks in Zeilenbauweise auch in innerstädtischen Lagen zu errichten wie andernorts. Hauptsächlich das Quartier zwischen Adlerstraße, Kaiserstraße und Kapellenstraße wurde in den 1960er und 1970er Jahren so grundlegend umgestaltet, die Fritz-Erler-Straße als neue autogerechte Verkehrsschneise durch das "Dörfle" geschlagen. Dazu mussten etwa 3500 Menschen umgesiedelt werden. Ab 1961 wurden den Altstadtbewohnern über ein Ersatzwohnungsprogramm Wohnungen in Oberreut, Durlach, Grünwinkel und Rintheim zugewiesen; Bürgerbeteiligung oder Öffentlichkeitsarbeit fanden bis 1968 de facto nicht statt. Erst in der Folgezeit begann man, das Konzept der Flächensanierung aus kulturhistorischer, sozialer und städtebaulicher Sicht zunehmend kritischer zu diskutieren, doch die Folgen sind bis heute evident: Der flächensanierte Teil ist sozial gesehen "totsaniert", in städtebaulicher Hinsicht wurde ein Homunkulus erschaffen. Die Fluktuation ist hoch, manchenorts macht sich eine geisterhafte Stimmung breit. Der östliche Teil ist ansprechender, denn hier wurde auf Drängen der ansässigen Bürger kernsaniert. Die Straße "Am Künstlerhaus" ist heute jedem ein Begriff, und hier ist noch ein letzter Hauch alter "Dörfle-Atmosphäre" zu erhaschen.
Trotz allem ist die Anziehungskraft des "Dörfles" noch heute ungebrochen, Handwerker und Huren, Künstler und Studenten siedeln noch heute gerne im alten "Schmuddeleck" der Stadt Karlsruhe.
Nächste Haltestelle
Karlsruhe Kronenplatz (Kaiserstr.)
Linie: S2, S4 , S41, S5, Tram 1, 2, 3, 4, 5
Nächster Parkplatz
Fritz-Erler-Str. 11
(Parkautomat)
Entfernung: ca. 120 m Luftlinie
Anfahrt
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