Steine erzählen Geschichten - Bauweisen und Baumaterialien historischer Gebäude in Karlsruhe

Karlstr 10

Ein Rundgang durch die Innenstadt: PrinzMaxPalais, Orangerie, Staatliche Kunsthalle u.a.

Natursteine an Gebäuden in der Innenstadt-West

Bis etwa 1830 war es in Karlsruhe und Umgebung üblich, Fassaden zu verputzen. Gesimse zur Fassadengliederung wurden sehr zurückhaltend gestaltet und oft einfach als Putzbänder, als flache Relieffriese aus Stuck oder Terrakottaplatten ausgeführt, Säulen und Giebel wurden nur an Hauptfassaden repräsentativer Gebäude angeordnet.

Der unterschiedlich witterungsanfällige Plattensandstein aus den umliegenden Steinbrüchen konnte so als Bruchstein sehr wirtschaftlich genutzt werden. Größere Werksteine wurden hauptsächlich für Tür- und Fenstereinfassungen benötigt. Einige der erhaltenen Bürgerhäuser in der Amalien- und der Stephanienstraße zeugen von diesem Baustil (Bild 1). Aus dickem, verputztem Bruchsteinmauerwerk war bereits das Karlsruher Schloss errichtet worden, und noch die Stephanskirche (Bauzeit 1808-1814) war ursprünglich nicht steinsichtig. Ihr Putz wurde bei Reparaturen im Jahr 1881 einem veränderten Zeitgeschmack folgend entfernt. Für das Bauwerk war dies nicht günstig und bedingte später aufwändigen Steinaustausch, denn der verwendete Sandstein aus Hohenwettersbach war sehr heterogen. In den ortsnahen Steinbrüchen gab es zwar sehr feste, verkieselte Sandsteine, aber auch eine tonig gebundene Art, die weich und witterungsanfällig ist. Plattensandsteine entstanden im Erdzeitalter der Untertrias aus Quarzsanden und Glimmermineralien durch Sedimentation in stehendem oder leicht bewegtem Wasser. Glimmerplättchen sanken langsamer als Quarzkörner ab, und es bildeten sich so Trennschichten, an denen sich der Sandstein leichter spalten lässt. Die Schichtstärken der Plattensandsteine liegen bei 6 bis 20 cm, und sie eigneten sich gut zur Herstellung von Bruchsteinmauerwerk. Ihre meist rot bis violette Farbe haben sie infolge von oxidierten Eisenbeimischungen, die die Quarzkörner umhüllen.

Größere Werksteine ließen sich nur aus den dickbankigen Schichten des Hauptbuntsandsteins gewinnen, der in diversen Steinbrüchen des Nordschwarzwaldes gebrochen wurde. Dieser Sandstein ist meist kieselig gebunden und besitzt im Gegensatz zum Plattensandstein keine Glimmerminerale auf den Schichtflächen. Die Tönungen gehen von fast weiß über gelbgrau, beige, hellrot bis rotbraun. Ab etwa 1830 wurden solche Werksteinquader verstärkt verbaut. In der Architektur hatte ein Wandel eingesetzt, und das Sichtmauerwerk kam in Mode. Am Beispiel der zwischen 1837 und 1846 durch Heinrich Hübsch erbauten Staatlichen Kunsthalle lässt sich ablesen, wie die Materialwahl nun nach Belastung und gestalterischer Qualität erfolgte (Bild 2). Über dem Mauerfuß aus rotem Sandstein folgt ein Sockelmauerwerk aus gelben Sandsteinquadern, die durch ihr Format große Stabilität suggerieren. Das Stockwerk darüber wurde mit kleinteiligem Quadermauerwerk hergestellt. Für die Quaderketten an den Ecken, die Gesimse und die Fenstereinfassungen wählte Hübsch einen grauen Sandstein. Die obere Etage wurde in leichtem Ziegelmauerwerk ausgeführt - allerdings nur scheinbar. Tatsächlich wurden alle Außenwände als Verblendmauerwerk mit einer tragenden inneren Schale aus dem lokalen roten Plattensandstein errichtet.

Im 19. Jh. wurden in Karlsruhe vielfältige Gesteine verwendet. Der graugrün bis rötlich-braune, feinkörnige Schilfsandstein, der im Kraichgau gebrochen wurde, besitzt neben den typischen Mineralen wie Ton, Quarz und Feldspat noch Pflanzenfossilien von Schachtelhalmgewächsen, die ihm seinen Namen gaben. Er ist leicht zu bearbeiten und wurde für Bauzier gerne verwendet. Aber seine sehr schwache kieselige Bindung macht ihn verwitterungsanfällig, lässt ihn stark absanden, weshalb er heute nicht mehr verbaut wird.
Aus dem lokal anstehenden, teils im Raum Bruchsal abgebauten Trochitenkalk wurden Brunnenschalen und Sockelsteine gefertigt. Benannt ist dieser Stein nach den Stielgliedern von Seelilien, den so genannten Trochiten. Zusammen mit Schalentrümmern von Muscheln ist dieses Material in dickbankigen Kalksteinen angereichert. Es ist ein Sediment des oberen Muschelkalks, das vor etwa 235 Millionen Jahren gebildet wurde.
Der Bau der Eisenbahn (ab 1843) begünstigte den Transport von Baumaterialien, und es wurde leichter möglich, Natursteine aus entfernten Regionen zu beziehen, wie Syenit aus dem Odenwald und aus Oberfranken, den gelben Jaumontkalk aus Lothringen oder weißen und grauen Marmor aus Laas in Tirol.

Außer der Gesteinsart, der Farbe sowie den Quaderabmessungen nutzte man die unterschiedlichen steinmetzmäßigen Bearbeitungsmethoden zur Gestaltung von Mauerwerkflächen. Die Wirkung der verschiedenen Gesteinsarten kann durch die Art der Bearbeitung stark differenziert werden. Bossierte Quader mit Randschlag oder Diamantquader wurden in den unteren Wandabschnitten verwendet, meist über stark gegliedertem Sockelmauerwerk. Für das Mauerwerk der Etagen wurden die Steine ohne Randschlag und meistens eben bearbeitet. Bruchrau, gespitzt, gekrönelt, scharriert, gestockt, geschliffen, poliert – nahezu alle Techniken lassen sich finden. Jede Etage und jedes Bauteil erhielten so eine ganz eigene Wirkung (Bild 3). Doch dieser Stil hat einige bautechnische Tücken. Stark auskragende Bauteile benötigen Dübel, Klammern oder Träger aus Eisen, das sorgfältig vor Wasser geschützt sein muss, damit es nicht korrodiert. Je nach Varietät und Exposition ist auch der Naturstein nicht dauerhaft witterungsbeständig und nur schwer instandzuhalten (Bild 4). Die stark gegliederten Fassaden lassen Regenwasser schlecht abfließen. Ruß und Staub lagern sich an rauen Oberflächen bevorzugt an und führen zu großflächigen Verschmutzungen und zur Ansiedlung schädlicher Algen und Moose. Verstärkt werden diese Effekte mitunter noch durch ungünstige Reparaturversuche. Ersatzmaterialien mit abweichenden physikalischen Eigenschaften können Schäden im ursprünglichen Baumaterial verschlimmern. Werden zum Schutz des Materials hydrophobierende oder wasserundurchlässige Farbanstriche verwendet, kommt es fast zwangsläufig zu verstärkten Gefügezerstörungen hinter dieser Beschichtung, die dann ebenfalls wieder zu Abplatzungen führen (Bild 5). Streusalzeintrag ist eine weitere Ursache für Mauerwerkschäden. Gerade die Mauerwerksockel sind hohen Belastungen ausgesetzt. Bei hochwertigen Bauwerken aus dem 19. Jh. wurden in Karlsruhe Sockelplatten deshalb häufig in Granit ausgeführt, der unempfindlich gegen Feuchte und Salze ist. Am Bankhaus Veit Löw Homburger, erbaut 1899-1901 von Curjel und Moser, wurde dieser harte Stein sehr kunstvoll bearbeitet (Bild 6). Die Oberflächen der geschwungenen Flächen, die die Basen der Halbsäulen des aufgehenden Mauerwerks bilden, sind gestockt. Die großen Mauerwerksquader wurden akkurat gespitzt und mit einem Randschlag versehen. Die Lagerflächen wurden mit Randschlag und tiefer liegendem Spiegel ausgeführt, wodurch die äußerst dünnen Fugen möglich wurden. Der hier verbaute Granit ist ein Kristallgranit mit groben kristallinen Feldspäten und konzentrischen Schalen von Feldspat und Quarz. Ein gleichmäßigeres Erscheinungsbild hat der feinkörnige, für Brunnen und Sockelplatten im 19. Jh. vielfach benutze Brühlertal-Granit. Das Material wird im Nordschwarzwald gebrochen und besteht hauptsächlich aus Quarz, Feldspat, Biotit und Muskovit. Zweiglimmergesteine gehen aus sehr quarzreichen Schmelzen hervor, die in einer Tiefe von etwa 12 km gebildet werden. Die Entstehung wird dem Karbon und einem Alter von 304-330 Millionen Jahren (je nach Altersmessung) zugeordnet (Grenze Unter/Oberkarbon).

Text: Claudia Neuwald-Burg und Elke Koser

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