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Denkmaltag 2011 / Sakralbauten und Friedhöfe

Das Preußendenkmal (Anti-Revolutions-Denkmal) und andere Denkmäler der Revolutionszeit auf dem Alten Friedhof

Oststadt, Ostendstraße

Wer die Spuren der Badischen Revolution verfolgt und dabei den Alten Friedhof in der Karlsruher Oststadt besucht, wird schnell feststellen, was es hier nicht gibt: Grabstätten von Revolutionären sucht man ebenso vergebens wie ein Denkmal, das an die Kämpfer für Freiheit und Demokratie erinnert. Das bedeutet aber nicht, dass die Revolution von 1848/49 auf dem Areal zwischen Kapellen- und Ostendstraße, das von 1781 bis 1882 als Friedhof der Residenzstadt diente, nicht präsent wäre. Ganz im Gegenteil, denn am 23. Juli 1852, dem dritten Jahrestag der Kapitulation der Bundesfestung Rastatt und damit dem endgültigen Scheitern der Revolution, wurde auf dem Karlsruher Friedhof das bis dahin größte Denkmal der Badischen Landeshauptstadt eingeweiht. Der Entwurf für das Monument stammt von dem bekannten badischen Architekten Friedrich Eisenlohr, der mit dem neugotischen Baldachin ein beliebtes Stilelement aus der Denkmal-Architektur jener Zeit aufnahm.

Seinen weithin bekannten Namen „Preußendenkmal“ erhielt das Monument nicht nur, weil es an die 137 preußischen Soldaten erinnert, die bei der Niederschlagung der Revolution ihr Leben verloren, sondern auch aufgrund der Stiftung durch den preußischen König Friedrich Wilhelm IV.

Der Monarch selbst gab bei dem Bildhauer August Kiss nach eigenen Entwurfsskizzen eine Figurengruppe in Auftrag, die das tabernakelartige Bauwerk krönte.

Jedoch auch hier heißt es einmal mehr, aus den Lücken zu lesen, denn die Statue des Erzengels Michael im Kampf gegen den Lindwurm musste 1953 wegen Einsturzgefahr vom Dach des Denkmals entfernt werden. St. Michael, der deutsche Nationalheilige, der uns auch in der Figur des „Michels“ vielfach begegnet, ließ in seiner Karlsruher Version indessen keinen Zweifel an seiner Rolle aufkommen. Das preußische Wappen auf dem Brustpanzer des Engels verdeutlichte, dass der Lindwurm als das erfolgreich bekämpfte Böse die Revolution darstellen sollte. Zugleich wurde damit der Kampf gegen jene Kräfte, die sich gegen die gottgewollte Herrschaft aufgelehnt hatten, als gerecht legitimiert. Darin spiegelt sich das Weltbild von Friedrich Wilhelm IV. wider, für den die Revolution eine Bedrohung der göttlichen Weltordnung insgesamt bedeutete. 

Nachdem das Preußendenkmal 1948 noch beinahe zum Schauplatz einer Erinnerungsfeier für die Revolutionäre geworden wäre, ehe man sich noch rechtzeitig seiner eigentlichen Intention entsann, präsentiert es sich heute als Torso. Die Figur des Erzengels wurde 1953 beim Abtransport vom baufälligen Dach zerstört, drei Jahre später verschwand auch das Marmorkreuz unter dem Baldachin. Eine Kopie der Michaelsstatue kann heute noch im Park des Schlosses Babelsberg bei Potsdam besichtigt werden, der zugehörige Brunnen trägt die Widmung „Zu Ehren der siegreichen Operationsarmee am Rhein im Jahre 1849“.

Nur wenige Schritte vom Preußendenkmal entfernt befindet sich ein weitaus bescheideneres Monument, das ebenfalls einen Bezug zur Badischen Revolution aufweist – und wiederum erst auf den zweiten Blick. Es handelt sich um das Grabmal des Diplomaten Johann Christoph Gustav von Struve. Sein Todesdatum 6. Mai 1828 lag zwar weit vor dem Aufstand der badischen Demokraten, doch war er der Vater von Gustav Struve, einem der bekanntesten Anführer der 1848er Revolution. Ob Gustav Struve nach der Rückkehr aus dem Exil das Grab seines Vaters besucht hat, ist nicht überliefert, jedoch dürfte der Anblick des benachbarten monumentalen Preußendenkmals für den überzeugten Republikaner schwer zu ertragen gewesen sein.

Darüber hinaus verdienen zwei weitere Grabstätten auf dem Alten Friedhof die Aufmerksamkeit des historisch interessierten Besuchers. In der Gruftenhalle am heutigen Nordrand des Friedhofs wurde Staatsminister Karl Friedrich Nebenius bestattet, und in der Gruft der Friedhofskapelle ruht sein Vorgänger Ludwig Georg von Winter. Beide Politiker zählten als Regierungschefs im Großherzogtum Baden zu den Liberalen. Ihr Wirken hat mit dazu beigetragen, dass Baden als „Wiege der Demokratie“ gilt, denn Nebenius war der Autor der Badischen Verfassung von 1818. Winters Name wiederum steht für das Pressegesetz von 1831, das die Zensur für die Erörterung badischer Fragen ganz aufhob und damit eine Sonderstellung im damaligen deutschen Bund einnahm.

Text: Georg Nowak-Hertweck, stattreisen Karlsruhe e. V.



Preußendenkmal 1852, Foto um 1907

August Kiss: Statue des Erzengels Michael, Aufstellung im Schlossgarten Babelsberg, Aufnahme um 1970

August Kiss: Statue des Erzengels Michael, Lithographie von Genrich 1852 aus dem Katolog der Gießerei Moritz Geiss