Nancystr. 1 / Hertzstr. 14-16 / St.-Barbara-Weg 5 (Flst. 5513, 5516, 5517)

Telegraphenkaserne, Bild: © 2013, PBe

Ehemalige Telegraphenkaserne, Reitinstitut Egon-von-Neindorff-Stiftung

Nancystr. 1 / Hertzstr. 14-16 / St.-Barbara-Weg 5 (Flst. 5513, 5516, 5517) , Nordweststadt

Ausweisungstext der amtlichen Denkmalliste

Telegraphenkaserne, heute auch Universität-West, 1902/03 durch das Militärbauamt, zugehörig Reithalle der Telegraphenkaserne, heute Reitschule Neindorff, 1907 (Nancystr. 1), vor dem 2. Weltkrieg. erweitert, Werkstattgebäude der Kaserne (St. Barbara-Weg 5), Sachgesamtheit 

Ergänzende Informationen des Stadtarchivs

In den Jahren 1906/07 wurde entlang der Hertzstraße für das Telegraphenbataillon 4 eine neue Kaserne erbaut. Bauherr war – entsprechend der Militärkonvention – die preußische Heeresbauverwaltung; als ausführende Architekten werden Pfaff und Schettler genannt. In dem Ge­samtkomplex stellen die Reithalle und der Stall aus denkmalpflegerischer Sicht die bedeutendsten Objekte dar.

 

Die Reithalle ist in Nord-Süd-Richtung orientiert, 18 m breit und 40 m lang; im Norden schließen verschiedene Anbauten (Vorhalle, Remise) an. Die Außenwände sind in Buntsandstein gemauert und durch Pfeiler an den Ecken, acht Wandpfeiler an den Längs-, drei an der südlichen und zwei an der nördlichen Querwand gegliedert. Während das Mauerwerk der Pfeiler außen in voller Höhe sichtbar ist, sind die dazwischenliegenden Wandfelder ab der Unterkante der großen Segmentbogenfenster verputzt. Im Innern tragen die Pfeiler der Längswände über ein-fachen Kapitellen acht Segmentbogenträger in Holzfachwerk mit eisernem Unterzug, sog. Stephansche Dachbinder, auf denen das Krüppelwalmdach lastet. Dieses ist an der Längsseite durch drei Dreiecksgiebel mit Ovalfenstern aufgelockert. Der offenliegende Dachstuhl der Reithalle ist das beeindruckendste Element der Anlage.

 

Nördlich der Halle liegt das Stallgebäude. Es ist in Ost-West-Richtung 128 m lang und 11,5 m tief. Es wird durch einen Mittelrisalit und in der Dachgliederung durch Kopfbauten an den Enden gefaßt. Die Wände sind ebenfalls im unteren Teil in Buntsandstein gemauert. Die Segmentbogenfenster haben hier jedoch Um­rahmungen aus gelbem Schilfsandstein, sie wurden in späterer Zeit teilweise durch Versetzen der Fensterbänke nach unten vergrößert. An den original erhaltenen Fenstern ist die Mechanik zur Bedienung vorhanden. Das Belüftungssystem mit über Hebel zu bedienenden Klappen in der Wand und hohen Entlüftern auf dem Dach ist teilweise noch sichtbar. In diesem Stall waren über 130 Pferde in 1,6 m breiten und 3,2 m langen Ständern mit einer 0,5 m breiten Futterkrippe untergebracht. Über einer durchgehenden Decke befin­den sich unter dem Dach kleinere Wohnräume und Heuböden für die Lagerung des Futters.

 

Bis 1918 wurde das Ensemble durch die Telegrapheneinheit genutzt; dabei wurde 1911 nördlich ein weiteres Stall­gebäude mit ähnlicher Aufteilung begonnen. 1936-45 waren hier berittene Einheiten der Wehrmacht (Artillerie) untergebracht, zu dieser Zeit wurde auch ein Verbindungsgang zwischen Reithalle und Stall angelegt. Seit 1949 ist die Anlage Sitz des Reitinstituts Egon von Neindorff. Es widmet sich der Pflege der hö­heren Reitkunst; nach dem Tod des Gründers im Jahre 2004 wird es von der Stiftung in seinem Sinne weitergeführt.

 

Der Stalltrakt, in dem nach dem Krieg teilweise Handwerksbetriebe untergebracht waren, ist inzwischen wieder vollständig zum Pferdestall rückgebaut. Zug um Zug wurden 55 Boxen für die Pferdehaltung eingebaut. Jedem Pferd steht heute das 2- bis 3-fache an Platz gegenüber der Belegung während der militärischen Nutzung zur Verfügung.

Im Jahre 1999 wurde die Reithalle mit Mitteln der Stadt Karlsruhe, die Eigentümerin ist, und mit Zuwendungen der  Denkmalpflege und Denkmalstiftung saniert. Eine Renovierung des Stalltraktes steht noch aus.

 

Unter den Bauwerken, die in Karlsruhe der Pferdehaltung dienten (wie der Marstall des Schlosses, das Landes­gestüt, die Dragonerkasernen), wurde dieser Komplex als letzter realisiert, im Gegensatz zu den anderen wurde er nicht – durch Kriegseinwirkung oder Umnutzung – zerstört und erfüllt noch heute den ursprünglichen Zweck als Einrichtung für die Reiterei, was ihn in ganz Baden-Württemberg einzigartig macht.



Text: Clemens Blank (†), Reitinstitut Egon-von-Neindorff-Stiftung

Denkmal nach § 2 (Kulturdenkmal) Denkmalschutzgesetz

Baujahr: 1907

 

Telegraphenkaserne Bild: PBe, 2013

 

Reithalle

 

 

Stallgebäude Querschnitt

 

Reithalle Längsschnitt

 

Reithalle, Stephanscher Dachbinder

 

Reithalle Querschnitt

 

 

 

 

Telegraphenkaserne Bild: PBe, 2013