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  Tag des offenen Denkmals am 14. September 2003

Die Dammerstocksiedlung - die Gemeinschaftswäscherei der Baugenossenschaft Hardtwaldsiedlung, Nürnberger Str. 5

Führungen: 11.00, 15.00 Uhr (Bernhard Schorpp) Das Denkmal ist sonst nicht öffentlich zugänglich

Waschaus Nürnberger Str. 5

Ansicht 1928/29

Ansicht 1928/29 Während Walter Gropius aufgrund seines ersten Preises beim Wettbewerb Dammerstock die Gesamtleitung unter den insgesamt zehn an der Planung beteiligten Architekten übernahm, erhielt Otto Haesler (1880-1962) als zweiter Preisträger neben den von ihm geplanten Wohnbauten den Auf- Grundriss Erdgeschoss 1928/29 trag für die gemeinschaftlichen Aufgaben dienenden Gebäude, für die Gaststätte und für das "Fernheizwerk und Zentralwaschgebäude".

Waschaus Nürnberger Str. 5

Grundriss Erdgeschoss 1928/29

Otto Haesler dachte sehr rational und war jedem Zufall abhold. Sein Gesamtplan für den Dammerstock, der nicht ausgeführt wurde, ist das strengste und konsequenteste Beispiel für den Zeilenbau, weil bei ihm bei Grundriss Erdgeschoss 1974 allen Wohnungen die Schlafräume zur Morgensonne und die Wohnbereiche nach Westen orientiert sind.

Waschaus Nürnberger Str. 5

Grundriss Erdgeschoss 1974

Das zeigt sich auch darin, dass Haesler als einziger die Tragglieder aller seiner Bauten als Stahlskelette ausbildet. Die größeren Spannweiten und Fensterbänder des Skeletts gewähren in den Grundrissen mehr Freiheit Grundriss Erdgeschoss 2003 und machen seine Bauten leicht und elegant.

Das "Waschhaus", wie es im Dammerstock genannt wird, erleichterte den Frauen zu einer Zeit, als in jedem größeren Haushalt die Wäsche noch am Waschtag in einem Waschkessel gekocht und von Hand gewaschen werden musste, das Leben beträchtlich. Sie kamen mit ihrer Wäsche dorthin, erhielten vom Waschmeister eine schmale abschließbare Koje mit Wasch- und Spülbecken zugewiesen. Dort musste die Wäsche erst kurz vorgewaschen werden, weil die damaligen Waschmaschinen noch nicht so perfekt arbeiteten wie die, die es heute in jedem Haushalt gibt.

Waschaus Nürnberger Str. 5

Grundriss Erdgeschoss 2003

Nach dem Waschen wurde die Wäsche im Obergeschoß, dessen Wände und dessen Dach mit nicht klar durchsichtigem Drahtglas verglast waren und durch dessen offene Fensterklappen der Wind wehte, zum Trocknen aufgehängt. Für das Trocknen gab es im EG auch abschließbare Schränke aus Drahtgestellen, durch die aus der darunter liegenden Heizung Warmluft geleitet wurde. Zum Schluss übernahmen zwei große Heißmangeln das Bügeln und Glätten der Wäsche. Dieses Waschhaus war zu seiner Zeit eine hochmoderne und fortschrittliche Einrichtung.

In seiner Erscheinung und Gestalt bilden sich die oben beschriebenen Gebrauchsfunktionen deutlich ab. Der Bau ist ein Beispiel für Louis Sullivans Maxime "form follows function": Die Reihe der Fenster im EG entspricht genau der Aufstellung der Waschmaschinen und der inneren Unterteilung in einzelne Waschkabinen. Die Fenster haben eine Brüstungshöhe von 160 cm wegen der Höhe der Waschmaschinen und weil in den Kabinen die Waschtröge an der Wand unter den Fenstern standen. Das letzte, etwas breitere, hoch liegende Fenster neben der Durchfahrt rührt daher, dass hier die oben beschriebene Warmlufttrockenanlage mit ihren 2 m hohen Schüben eingebaut war, die das normale Fenster überschnitten hätte.

Auch der Fensterschlitz oben über der Durchfahrt ist aus der Funktion begründet: Hinter dieser Wand lag das hohe Silo, in das die Schlacke der Koksheizung mit einem Elevator gefördert wurde, um von dort in den unter der Durchfahrt stehenden Lastwagen geschüttet zu werden.

Das gläserne Dach der Freilufttrockenanlage im OG war nach dem Krieg schadhaft und wurde mit Welleternitplatten überdeckt, was die Transparenz und Leichtigkeit des Gebäudes stark veränderte. Die Putzfassaden waren nach dem Krieg mit gelben Klinkerplatten verkleidet worden.

Ende der 1960er Jahre wurde der Betrieb aufgegeben und für die Mitglieder der Genossenschaft, die noch keine Haushaltswaschmaschine hatten, in der Nachbarschaft ein kleiner "Waschsalon" eingerichtet.

1974 übernahmen meine Partner und ich das Gebäude, um es in ein Architekturbüro umzubauen. Dabei war unser Wunsch nach guten Büroräumen mit der Forderung, das Waschhaus als Denkmal zu erhalten, nicht leicht in Einklang zu bringen.

Das zu einer Innendachrinne abfallende gläserne Dach mussten wir durch ein leichtes, geschlossenes, wärmegedämmtes Dach ersetzen. Es musste leicht sein, damit die schöne Stahlkonstruktion nicht verstärkt werden musste und sichtbar bleiben konnte. In der vertikalen Verglasung des Obergeschosses wechselten festverglaste Felder und solche mit Klappen aus sehr dünnen Stahlprofilen einander ab. Sie war ihrem Zweck entsprechend weder wind- noch regendicht. Gerade diese Verglasung ist ein Charakteristikum des Gebäudes, das völlig verlorengegangen wäre, wenn wir sie durch eine neue Verglasung mit gleicher Teilung aber dichtschließenden und mit Isolierglas ersetzt hätten. Die dazu notwendigen Profile waren doppelt so breit und hätten den Bau total verändert. Wir haben deshalb die alte Verglasung nur repariert und als eine Art Sonnenschutz und Raumabschluss belassen und dahinter eine richtige Fensterwand montiert. So entstanden helle geschlossene Räume, aus denen man nur durch die geöffneten Klappen kleine Ausblicke hat.

Dann blieb noch das Problem der in den Nachkriegsjahren aufgebrachten Klinkerplatten. Sie sind der solideste Teil des Gebäudes. Beim Versuch, sie wieder abzuschlagen, wurde das Mauerwerk so beschädigt, dass wir das aufgeben mussten. Wir haben sie durch Sandstrahlen aufgerauht und dann mit mehreren Beschichtungen die glatte weiße Fläche wieder hergestellt, die für den Bau so wichtig ist.

So ist das Denkmal einigermaßen erhalten. Und doch ist durch die neue Nutzung etwas verloren gegangen, - ein Ort der Kommunikation, - des Zusammentreffens der Bewohner, wie ihn die genossenschaftliche Gemeinschaftswaschanlage darstellte. Und das ist ein Resultat der technischen Entwicklung, die uns mit ihren Autos, ihren Haushaltswaschmaschinen, ihren Heimwerkern und der ganzen Do-it-yourself-Ideologie von der Kommunikation mit Dienstleistungen immer unabhängiger macht, Möglichkeiten für Gespräche und Kontakte beseitigt und so in Autarkie vereinsamt.




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