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  Tag des offenen Denkmals am 14. September 2003

Dammerstock Die Dammerstocksiedlung - "Neues Bauen" in Karlsruhe: "Gebrauchswohnungen" seit 1928/29
Nürnberger Str., Dammerstockstr., Falkenweg, Sperberweg

Dammerstocksiedlung

Die Dammerstocksiedlung ist ein Bestandteil der Stadterweiterung von Karlsruhe, die seit 1915 angedacht wurde. Der Wohnungsknappheit in Karlsruhe, die durch den Ersten Weltkrieg nochmals verstärkt wurde, begegnete man durch den Bau neuer Siedlungen unter Nutzung bestehender Infrastrukturkerne. So entstand der Dammerstock nicht zufällig in unmittelbarer Nachbarschaft zum Ortsteil Weiherfeld - zwischen dem neuen Bahnhof und der Gartenstadt Rüppurr.

Anders als noch zwei Jahre zuvor in Stuttgart, wo das experimentelle Bauen Thema der Bauaustellung von 1927 war, war im Dammer-stock der Karlsruhe eigene Pragmatismus gefragt: Hier stand die gut funktionierende "Gebrauchswohnung" im Vordergrund. Gebaut wurde von mehreren Baugenossenschaften unter Federführung der städtischen Volkswohnung (Gründung 1928). Für das Projekt wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, der zwar auf Karlsruhe beschränkt war, zu dem jedoch acht namhafte auswärtige Architekten eingeladen worden waren. Zwei Auswärtige, Walter Gropius und Otto Haesler, heimsten die beiden ersten Preise ein. Gropius wurde mit der künstlerischen Oberleitung betraut. Er legte einige wenige aber stilbildende Kriterien fest wie: "gleich große fensterelemente, flaches dach, gleiche gesimslösung, weisser fassaden-putz und graue sockel und glatte türen in eisenrahmen". Nach Haeslers städtebaulichen Entwurfsgedanken entstand so eine sehr einheitliche Siedlung im konsequenten Zeilenbau. Für die Hardtwaldsiedlung e.G. bauten die renommierten Architekten Walter Gropius (Berlin), Otto Haesler (Celle) und Riphan + Grod aus Köln. Die Volkswohnung schickte mit Alfred Fischer, Walter Merz und Fritz Rößler (Geschäftsführer) die Karlsruher Lokalvertreter ins Rennen. In einer ersten Bauphase entstanden innerhalb kürzester Zeit (7 Monate) 228 Klein- und Kleinstwohnungen in Geschosswohnungs- und in Reihenhausbauweise sowie einige Wirtschaftsgebäude. Zwei viergeschossige Zeilen bilden einen Riegel gegen die Ettlinger Allee, die im Norden über einen Winkelbau (das Waschhaus) abgeschirmt werden. Parallel zu den hohen Zeilen im Osten werden westlich davon zweigeschossige Zeilen errichtet, die nur über Wohnwege zu erreichen sind. Die Gärten sind einander zugewandt, so dass hier ungestörte Ruhezonen entstehen. Städtebaulich geschickt werden 1929 nur die für die Bauausstellung raumbildend-relevanten Gebäude hergestellt, die einen guten Eindruck von der geplanten Gesamtsiedlung geben. Zur Bauausstellung, zu der Kurt Schwitters sämtliche Printmedien gestaltet hatte, wurden im Oktober 1929 insgesamt 30 Wohnungen ausgestattet und bewohnbar einem breiten Publikum präsentiert. Obwohl die Ausstellung ein voller Erfolg war, der Karlsruhe ins Licht der Moderne rückte, wurde ein Weiterbau der Siedlung aufgrund der einsetzenden Weltwirtschaftskrise verhindert.

Mit der Regierungsübernahme der NSDAP 1933 findet dann jeglicher fortschrittliche Baugedanke ein Ende. Andere Bauaufgaben haben nun Vorrang. Für den einen oder anderen Flachdachbau werden Skizzen und Entwürfe gefertigt, in denen Satteldächer zu erkennen sind, die aber aus Geldmangel nicht umgesetzt werden. Vereinzelte Ergänzungsbauten entlang der Heidelberger Straße und Rechts der Alb wurden noch 1934/35 zwar mit Satteldach, aber im Detail in Anlehnung an die formalen Vorgaben der Dammerstocksiedlungssatzung ausgeführt.

Einige Heimatstilbauten entstehen unter der GAGFAH im Bereich Falkenweg/Nürnberger Strasse in "aufgelockerter" Bauweise. 1936/38 wird die Franziskus-Kirche erbaut. Nach Kriegsbeginn 1939 endet jegliche Bautätigkeit - mit Ausnahme des fatalen Einbaus des Luftschutzbunkers zwischen Danziger- und Dammerstockstraße unmittelbar hinter dem Waschhaus. Einige typisierte Behelfsheime, die "ausgebombten" Kriegsflüchtlingen ein neues Quartier bieten sollen, werden bereits 1949 wieder zurückgebaut.

Die Nachkriegsbauten orientieren sich an den Bebauungsplänen für die jeweiligen Gebiete: während nördlich der Nürnberger Straße von der GAGFAH weiterhin Siedlungshäuser im Heimatstil präferiert werden, entstehen südlich davon Bauten im Stil des "Neuen Bauens". In Anlehnung an den Laubenganghaustyp von Walter Gropius entwickelt der Architekt Willi van den Kerkhoff Laubenganghäuser die in die Zeilenbauweise eingereiht werden. Ein erstes zweigeschossiges Laubenganghaus wird in Sparbauweise ("sägbarer" Holzbeton) bereits 1947 im Falkenweg 69 errichtet. Weitere folgen entlang der Danziger Straße und in der Dammerstockstraße, die mittels niedriger Zwischenbaukörper miteinander verkettet werden. Als Endpunkt wird dann Ende der 1950er Jahre ein ursprünglich von Gropius und Haesler konzipiertes Punkthaus im Süden direkt an der Straßenbahnhaltestelle "Schloss Rüppurr" errichtet.

Bis Ende der 1950er Jahre ist die Bebauung des Dammerstock weitestgehend abgeschlossen. Im weiteren folgen einige Phasen der Sanierung und Modernisierung, die sich jedoch am Erhalt der Gesamterscheinung des Dammerstock orientieren. Vorbildlich sind die Sanierungskonzepte einiger Genossenschaften, die mit Verständnis für das Detail sich in Farbe und Material sehr stark am Bestand orientieren. So werden u. a. Holzfenster mit derselben Proportion, Teilung und Farbgebung eingebaut. Ein heftiger Streit entbrennt um die Forderung nach Rollläden: Letztendlich werden in den meisten Fällen außen aufgesetzte Lamellenjalousien angebracht. Ein heikles Thema ist immer wieder die Sanierung der Flachdächer: Hierbei sollte der Wunsch der Verfasser nach einem möglichst wenig sichtbaren Blechabschluss beachtet werden, was aber nicht immer geschieht.

Der Dammerstock - aufgrund seiner konsequenten Zeilenbauweise einst geringschätzig als "Güterbahnhof" bezeichnet - stellt sich heute als eine der beliebtesten Karlsruher Wohngebiete dar. Durch den Bestand an hohen Bäumen sind die Zeilen mittlerweile am Ort fixiert - grüne Bänder und Freiflächen sorgen für gute Wohnqualität. Die einst kritisierte harte Ost-West-Ausrichtung stellt für die heutige Nutzung (zumeist als Single-Wohnungen) eine gute Lösung dar. Die ausgefeilten Grundrisse haben die sich stetig ändernden Nutzungsansprüche gut erfüllt, so dass hier nur geringfügige Eingriffe in die Gebäudestruktur stattgefunden haben. Immerhin gibt es sogar noch vereinzelt bauzeitliche Küchen, Ausstattungsteile und Mobiliar, das aber nach 75 Jahren "in Gebrauch" zusehends weniger wird.

Die Wohnungen Dammerstockstr. 23, Falkenweg 63, Sperberweg 28 sind nicht öffentlich zugänglich.




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Stadt Karlsruhe 2003